Von Thomas Maier
FRANKFURT AM MAIN (BLK) - Die mädchenhaft wirkende Frau mit den schwarzgelockten Haaren bindet zuerst eine grüne Schleife ums Mikrofon, bevor sie ihre Gedichte vorträgt. Es ist der erste öffentliche Auftritt von Pegah Ahmadi in Deutschland. An die hundert Menschen sind an diesem kalten Winterabend in den Mousonturm gekommen, um die Lyrikerin kennenzulernen, die in Frankfurt für zwei Jahre Zuflucht gefunden hat. Mit der Farbe Grün - dem Symbol der Demokratiebewegung im Iran - macht die 35-Jährige unmissverständlich klar, dass sie auch von Deutschland aus den Kampf gegen die Mullahs fortsetzen will.
„Ich kann nicht still sein“, sagt Ahmadi, die demonstrativ an diesem Abend auch eine grüne Bluse trägt. Die Lyrikerin will die Situation im Iran dem Rest der Welt nahebringen. Anfang vergangenen Jahres wurde die Situation für die Dichterin und Chefredakteurin einer Literaturzeitschrift in Teheran immer schwieriger. Im September ist sie nach Frankfurt gekommen. Die Stadt hat ihr im Rahmen des Projekts «Städte der Zuflucht» eine Wohnung zur Verfügung gestellt, von der Frankfurter Buchmesse hat sie für zwei Jahre ein Stipendium erhalten. Betreut wird die Autorin von der Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika (litprom).
Ahmadis Lyrik ist politisch und engagiert - aber das tut der poetischen Kraft keinen Abbruch. Es sind sehr modern wirkende Gedichte voller Sprachgewalt und Metaphern, die den westlichen Einfluss auf Ahmadis Werk zeigen.
Neben dem libanesischen Dichter Adonis schätzt sie den Mexikaner Octavio Paz oder Gedichte der polnischen Lyrikerin Wislawa Szymborska. Besonders verbunden fühlt sie sich aber Sylvia Plath, der Kultfigur der modernen amerikanischen Dichtkunst. Mit ihrer „Bekenntnislyrik“ wurde Plath - nach ihrem Selbstmord im Jahr 1963 - zum Vorbild für eine ganze Generation. „Ich glaube, ihr Werk ist meinem sehr nahe“, sagt Ahmadi. Sie hat die Gedichte von Sylvia Plath ins Persische übersetzt.
Im Iran hat die Lyrik schon immer eine große Rolle gespielt – und ist traditionell auch wichtiger als Prosa. Persien hat schon im Mittelalter bedeutende Dichter wie etwa Hafes hervorgebracht, der auch von Goethe sehr geschätzt wurde. Ahmadi glaubt, dass es viel schwieriger ist, gute Gedichte zu schreiben als eine gute Erzählung -Lyrik ist für sie richtig harte Arbeit, bis jedes Wort und die Metrik in den Versen passt. Im Alter von sieben Jahren hat sie bereits ihr erstes Gedicht geschrieben. „Mit 17 bin ich der Lyrik und Literatur verfallen“, sagt die 35-Jährige. Sie stammt als Einzelkind aus einer Teheraner Intellektuellen-Familie, in der sich immer alles um das Lesen und Literatur gedreht hat.
In ihrer karg möblierten Wohnung in Frankfurt-Sachsenhausen versucht sie ihre Eindrücke in Gedichten zu verarbeiten - daneben ist ihr der tägliche Kontakt über Internet und Telefon zu Familie und Freunden sehr wichtig. Als Pegah Ahmadi noch in Teheran war, wurde sie oft am Telefon abgehört - die Spitzel schalteten sich am Telefon sogar unverblümt in Gespräche mit Freunden ein und bedrohten sie, wie sie erzählt.
Nach der Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad und den blutig verlaufenen Protesten der Oppositionsbewegung hat sich die Situation im Iran dramatisch verschärft. Fünf ihrer Freunde sind in Haft, wie Ahmadi berichtet. Es seien keine politische Aktivisten, sondern nur Menschen, die frei ihre Meinung äußern oder niederschreiben wollten. Niemand sei derzeit im Iran mehr sicher.
Ahmadi hat die Hoffnung aber nicht aufgegeben. „Wenn das Regime weiterhin so gewalttätig und brutal gegen das Volk vorgeht, wird es bald zusammenbrechen“, sagt sie. Millionen - gerade aus der jungen Generation - seien zum Widerstand bereit. In Deutschland könne sie momentan mehr für ihr Land tun als zu Hause, sagt die Lyrikerin. Und sie hofft, dass ihre von der Bonner Übersetzerin Jutta Himmelreich hervorragend übertragenen Gedichte in diesem Jahr noch auf Deutsch erscheinen.