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Persönlichkeit statt Tyrann

Ein konstruktiver Ratgeber von Michael Winterhoff und Isabel Thielen

© Die Berliner Literaturkritik, 07.04.10

GÜTERSLOH (BLK) – Im März 2010 ist im Gütersloher Verlagshaus „Persönlichkeiten statt Tyrannen“ von Michael Winterhoff und Isabel Thielen erschienen.

Klappentext: Die jungen Menschen werden größer, die Probleme von Tyrannei verändern sich. Der dritte Band aus der Werkstatt des Michael Winterhoff befasst sich mit Jugendlichen an der Schwelle zum Erwachsensein. Dazu hat Winterhoff die Psychologin und Personalerin Isabel Thielen ins Boot geholt. Gemeinsam erarbeiten die beiden auf der Basis ihrer jeweiligen Kern- und Feldkompetenz Ansätze und Verfahrensweisen, mit denen psychisch nicht entwickelte Heranwachsende für die Anforderungen im Berufsleben fit gemacht werden können. Die Fallbeispiele kommen direkt aus dem Arbeitsleben (Bewerbungsgespräche, alltägliche Bürosituationen, Vorfälle im Betrieb, Berufsschulerlebnisse) bzw. aus dem Beziehungsalltag von Eltern und heranwachsenden Jugendlichen. Ein konstruktiver Ratgeber, der die Thesen von Michael Winterhoff weiterentwickelt und in den Teilbereich der Arbeitspsychologie transferiert. Ein Muss für jeden Betrieb und alle, die mit heranwachsenden Jugendlichen Probleme haben.

Dr. Michael Winterhoff, geboren 1955, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er studierte Humanmedizin in Bonn. Seit 1988 praktiziert er als Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in einer Gemeinschaftspraxis. Er ist Initiator eines Kinderheimes. Dr. Isabel Thielen, geboren 1971, ist Personalleiterin in einem großen Medienunternehmen und arbeitet freiberuflich als Business Coach und Mediatorin in München.

© Gütersloher Verlagshaus ©

„Auszubildende sollen in einer Werkstatt die Kleidung eines 19-jährigen Kameraden mit brennbarer Flüssigkeit besprüht und angezündet haben. Das berichtet die Polizei am Donnerstag aus Götz (Brandenburg). Der junge Mann wurde mit schweren Brandverletzungen in eine Berliner Spezialklinik gebracht. Drei Verdächtige wurden festgenommen.“

In den Nachrichtenteilen unterschiedlichster Medien ist naturgemäß immer nur die Spitze des Eisberges dargestellt. Und sicher gilt auch: Je dramatischer, desto besser für die Aufmerksamkeit. Ähnliche Beispiele wie das hier vorangestellte findet man aber viele, wenn man wahllos in Archive mit entsprechenden Meldungen greift.

Nein, das ist sicher (noch) nicht die Regel, es wird nicht jeden Tag irgendwo versucht, Kollegen anzuzünden. Auch bei einem Eisberg ist nicht die Spitze gefährlich für die Schiffe, sondern das oft riesige verborgene Volumen unter der Oberfläche, weil es nicht unmittelbar erkennbar ist.

Auch solche brutalen Übergriffe passieren nicht, ohne dass sich unter der Oberfläche grundlegend etwas verändert hat, was sich tagtäglich in vielen Betrieben bemerkbar macht und die Abläufe dort erheblich negativ beeinflusst. Was hat sich in den letzten Jahren im Ausbildungs- und Berufsalltag verändert, wo liegen die Ursachen dazu, wo steuert unsere Gesellschaft hin?

Ein Arzt aus dem Münsterland beobachtet entsprechende Veränderungen in seinem Bereich: „Ich war es früher überhaupt nicht gewohnt, die einfachsten schriftlichen Aufzeichnungen meiner Helferinnen Korrektur lesen zu müssen. Und was ist heute? Egal, ob die Auszubildenden von der Realschule oder vom Gymnasium kommen, egal, ob es sich um ein kurzes Protokoll oder nur um ein Rezept handelt - unter fünf Rechtschreibfehlern geht gar nichts mehr. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern es hält den Alltagsbetrieb auch unglaublich auf. Und es wird nicht besser.“

Im Januar 2010 lässt sich Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, mit folgender Aussage zitieren, als er nach seiner Meinung zur Lage auf dem Ausbildungsmarkt befragt wird:

„Wir stellen seit Jahren fest, dass immer mehr Schulabgänger nicht die nötigen Grundkenntnisse mitbringen. Einige haben Schwierigkeiten beim Rechnen und Schreiben. Anderen fällt es schon schwer, morgens pünktlich zur Arbeit zu kommen. Und einige wollen offensichtlich gar keine Ausbildung machen. Ihnen fehlt die Motivation.“

Schwannecke bestätigt damit, was zunehmend zum Problem zu werden droht: mangelnde Ausbildungsreife und die damit verbundenen Folgen sowohl für den Arbeitsmarkt als auch für die betroffenen Menschen.

Man könnte dieses Buch auch mit einem Zitat aus dem Brief eines Lesers beginnen, der im Frühjahr 2009 nach dem Erscheinen von „Tyrannen müssen nicht sein“ schrieb:

„Durch ihre Ausführungen hat es bei mir >klick< gemacht, und die ganze, sonst konfuse Problematik ist für mich fassbar geworden.“

Es gibt zahlreiche solcher Beispiele, es gibt Hunderte solcher Briefe. Neben diesen Rückmeldungen und damit Bestätigungen, dass es gut und richtig war, mit den Analysen und Thesen zur psychischen Entwicklung von Kindern an die Öffentlichkeit zu gehen, zeigen sie vor allem auch eines: Das Modell wird weitergedacht: Zum einen fragen sich viele, welche Folgen eintreten könnten, wenn wir nicht zu einer grundlegenden Änderung in vielen Beziehungsstrukturen zwischen Erwachsenen und Kindern kommen; zum anderen wird natürlich immer wieder die konkrete Bedeutung dieses Ansatzes für die tägliche Praxis in der Familie, in der Schule und im Beruf diskutiert.

Um die Hypothesen, die in „Warum unsere Kinder Tyrannen werden“ und „Tyrannen müssen nicht sein“ über die Beziehungsstörungen entwickelt wurden, für den interessierten Leser, der zwischendurch nachschauen möchte (bzw. denjenigen, der damit noch gar nicht vertraut ist), schnell auffindbar zu machen, haben wir diese in einem übersichtlichen Extrateil am Ende des Buches noch einmal beschrieben. Das hat den Vorteil, dass wir hier direkt mit dem Anliegen dieses Buches einsteigen können, die wichtigen Hintergründe für die folgenden Beschreibungen aber jederzeit verfügbar sind.

Klar ist, dass kein klassischer Ratgeber und kein simpel gestricktes Lösungsbuch entstehen soll. Davon gibt es ausreichend viele auf dem Markt; vor allem aber gehen solche Bücher nicht an die Wurzel der Probleme. Keine noch so gut gemeinte Lösungsidee kann ein Problem beseitigen, dessen Hintergründe nicht analysiert und verstanden worden sind. Allerdings heißt das nicht, dass jegliche Lösungsangebote per se kritisch zu sehen sind; nur besteht die Gefahr, dass klassische Ratgeber zu gar nichts führen, so lange die den dargestellten Phänomenen zugrunde liegende Problematik nicht erkannt und verstanden wurde.

Die Lösung bedarf letztendlich der Reflexion. Indem der Leser sich mit der dargebotenen Analyse auseinandersetzt und seine eigene Verhaltensweise auf dieser Grundlage kritisch hinterfragt, kann er selbst zu den für ihn passenden Lösungen kommen. Diese Vorgehensweise ist vielleicht etwas anstrengender und zeitintensiver als die Lektüre nett gemachter Handbücher, auf jeden Fall aber wesentlich nachhaltiger und gewinnbringender, als irgendwann zu merken, dass immer wieder neu vorgekaute Lösungsstrategien nicht zur eigenen Lebenssituation passen; und damit fast zwangsläufig an der Oberfläche zu bleiben, ohne die zugrunde liegende Problematik anzugehen.

Unser Ziel ist es ebenfalls nicht, unnötige Panik zu schüren. Der Kommentar des Mitglieds eines Prüfungsausschusses der Kreishandwerkerschaft Bonn-Rhein-Sieg zeichnet ein gutes Bild der momentanen Situation:

„Vielen Jugendlichen gelingt es hervorragend, selbst die Initiative zu ergreifen, sich ein Bild von den Berufen zu verschaffen, die eigenen Interessen und Fähigkeiten zu erfassen und systematisch, auch mit Hilfe des Elternhauses, der Lehrer, der Berufsberater etc. erfolgreich eine Berufsausbildung zu starten, durchzuführen und abzuschließen.“

Allerdings folgte dieser Aussage die große Einschränkung direkt auf dem Fuße:

„Aber nicht wenigen Jugendlichen gelingt der Einstieg in das Berufsleben trotz der vielfältigen Informations- und Fördermöglichkeiten nicht. Aus unserer Sicht sind als unmittelbare Ursachen in erster Linie ein fehlender qualifizierter Schulabschluss, Orientierungslosigkeit, fehlender Ehrgeiz, Antriebslosigkeit, Interessenlosigkeit, mangelhafte Kommunikation, fehlendes Selbstwertgefühl, fehlende Aufgeschlossenheit oder schlechte Umgangsformen festzustellen. Dies zeigt sich in der Berufsfindungsphase ebenso wie bei Bewerbungsgesprächen oder in der Startphase der Berufsausbildung. Der Abbruch der Ausbildung ist oftmals für beide Beteiligte die beste Lösung, wenn es auch frustrierend und wenig motivierend ist, die Stelle neu besetzen zu müssen. Aus mehrfachen Erfahrungen von Abbrüchen, Problemen bei der Suche nach geeigneten Lehrlingen oder Schwierigkeiten während der Ausbildung kommt es bei den Ausbildern bedauerlicherweise gelegentlich auch zu der Entscheidung, überhaupt nicht mehr auszubilden. Abbruchursachen sind fehlendes Durchhaltevermögen, mangelhafte Integrationsbereitschaft, falsche Vorstellung vom Beruf oder schlichtweg eine Überforderung.“

© Gütersloher Verlagshaus ©

Literaturangabe:

WINTERHOFF, MICHAEL; THIELEN, ISABEL: Persönlichkeiten statt Tyrannen. Oder: Wie junge Menschen in Leben und Beruf ankommen. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2010. 189 S., 17,95 €.

Weblink:

Gütersloher Verlagshaus


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