Werbung

Werbung

Werbung

Peter Stamms beklemmender Erzählband

„Seerücken“ - Nominiert für den Preis der Leipziger Buchmesse

© Die Berliner Literaturkritik, 28.05.11

STAMM, PETER: Seerücken. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2011, 190 S., 18,95 €.

Von Kathrin Streckenbach

Hermann steht neben dem Krankenhausbett und starrt seine Frau an. Sie kommt ihm fremd vor. So fremd, dass er sie nicht einmal anfassen mag. Seit Jahren sind die beiden verheiratet, doch als Rosmarie in die Klinik eingeliefert wird, packt ihn eine starre Hilflosigkeit. Er setzt sich in den nächstbesten Zug und fährt einfach weg, ohne zu wissen, wohin.

Kopflos, verzweifelt, unsicher - so zeigen sich alle Figuren in Peter Stamms neuem Erzählband „Seerücken“. Der Schweizer Autor ist damit für den diesjährigen Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Belletristik nominiert - neben Anna Katharina Fröhlich, Arno Geiger, Wolfgang Herrndorf und Clemens J. Setz.

Unterstützen Sie dieses Literaturmagazin: Kaufen Sie Ihre Bücher in unserem Online-Buchladen - es geht ganz einfach und ist ab 10 Euro versandkostenfrei! Vielen Dank!  

Stamm arbeitet seit 1990 als freier Autor. Zunächst verfasste er zahlreiche Hörspiele, nach seinem Romandebüt „Agnes“ im Jahr 1998 veröffentlichte er drei weitere Romane, Erzählsammlungen und einen Band mit Theaterstücken. Zuletzt erschien 2009 sein Roman „Sieben Jahre“, eine Dreiecksgeschichte, in der ein Mann über Jahre hinweg zwischen seiner Frau und seiner Geliebten emotional gefangen ist.

Diese völlige Lethargie findet sich auch in „Seerücken“ wieder - benannt nach einem Hügelzug im Kanton Thurgau in der Schweiz. Egal, ob es um die Einsamkeit im Urlaub geht, um einen Pfarrer, der mit den Abendmahls-Hostien Vögel füttert oder um die erste Liebe mit Gewicht: Stamms Charaktere in dem beklemmenden Erzählband sind völlig passiv. Statt zu agieren, stehen sie ebenso fasziniert wie angewidert neben ihrem Leben und sehen zu, wie es in seine Einzelteile zerbricht.

In einer der längeren Geschichten des Buches geht es um Anja, ein Mädchen, dass jahrelang im Wald gelebt hat. Erst als sie eine Lehre zur Buchhändlerin beginnt, findet sie den Weg zurück in die Gesellschaft. Sie heiratet, bekommt Kinder, zieht mit ihrer Familie in ein Reihenhaus - und kann sich doch nicht von ihrem Leben in völliger Einsamkeit lösen. Immer stärker zieht sie sich von den Menschen in ihrem Leben zurück und beobachtet scheinbar unberührt, wie ihr das Leben entgleitet.

Am Ende stirbt sie (ob scheinbar oder wirklich, lässt der Autor offen) durch den Gewehrschuss eines Jägers. Es ist ein beinahe zärtlicher Tod, den Anja sich erträumt: Nachdem die Kugel sie getroffen hat, spürt sie einen „heftigen, köstlichen“ Schmerz in der Brust und die Wärme ihres Blutes. „Es ist gut“, sagt sie. Doch den Leser reißt dieser Schuss brutal aus der leise dahin plätschernden Geschichte heraus: Ein hoffnungsvolles oder gar glückliches Ende sucht er bei Peter Stamm vergebens.

Weblink: S. Fischer Verlag


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: