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Peter Turrini zum 65.

Der rebellische Dramatiker feiert seinen 65.Geburtstag

© Die Berliner Literaturkritik, 25.09.09

Von Arved Gintenreiter

WIEN (BLK) - Es ist ein wenig leiser geworden um Österreichs „Nestbeschmutzer“, der mit markanten Sozialdramen wie „Rozznjogd“ einst das halbe Land gegen sich aufgebracht hat. Mit drastischer Sprache, die Stücke oft deutlich überhöht, machte der Dramatiker und Lyriker Peter Turrini in seinen Werken stets aggressiv und ohne diplomatische Umschweife auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam. Kaum eine etablierte Schicht, die der Österreicher im Lauf der Zeit nicht gegen sich aufgebracht hat. Am Samstag (26.9.) wird Peter Turrini 65 Jahre alt. Aus dem Gegenwartstheater ist er schon lange nicht mehr wegzudenken.

Auch wenn es ruhiger geworden ist um ihn, weniger anstößig als früher sieht Turrini seine Werke heute nicht. Eher haben sich die Sichtweisen am Theater verändert, vermutete der Dramatiker im vorigen Jahr in einem Interview. „Ein Nackter konnte in den 60er Jahren ein Schock sein. Ein Nackter auf der Bühne ist heute ein Erfordernis bei schlechten Regisseuren, würde ich sagen.“ Klartext und offene Kritik, das sind Turrinis Sache - was ihm zwar zahlreiche Anhänger, aber auch viele Feinde einbrachte. Als Turrini als „Nestbeschmutzer“ betitelt wurde, beschimpfte er im Gegenzug die Heimat als „Mörderrepublik“. Damals gewannen die Rechtspopulisten unter Haider an Zustrom.

Vorurteile, Verlogenheiten und traditionelle Moralvorstellungen sind der Stoff seiner oft dialektgefärbten Werke und sie brachten Turrini den Ruf eines zynischen Bürgerschrecks ein. So lässt er zum Beispiel in „Rozznjogd“, das ihm 1971 zum Durchbruch verhalf, zwei Stadtmenschen auf eine Müllhalde fliehen. Das Paar befreit sich von allen gesellschaftlichen Zwängen und wird zum Opfer von Rattenjägern.

Mit dem Passionsspiel „Tod und Teufel“ erzürnte Turrini das christlich-konservative Bürgertum; in dem nahezu einhellig verrissenen Drama „Die Schlacht um Wien“ zeichnet er die Mitglieder der Spaßgesellschaft als mörderische Abenteurer. Im Laufe der Jahre entwickelte er „eine geradezu manische Neugier auf die Geschichten, auf die Selbstdarstellung der Menschen“, sagt Turrini.

Zu Geburtstagen macht sich Turrini in der Öffentlichkeit rar: „Mit Ehrungen tue ich mir schwer, wenn die Hände, die mir früher an die Gurgel wollten, jetzt auf meine Schulter klopfen“, sagte er zum runden Jubiläum vor fünf Jahren der Nachrichtenagentur APA.

Geboren wurde der Rebell im Lavanttal in St. Margarethen in Kärnten als Sohn eines italienischen Tischlers und einer Slowenin. Die Kindheit war „geprägt von Karambolagen“, sagte er der Zeitung „Die Presse“. Doch stellte er sich auf eigene Füße und war sich dabei nicht zu Schade für harte Arbeit: Er absolvierte die Hauptschule und die Handelsakademie, verdiente den Lebensunterhalt unter anderem als Holzfäller und Stahlarbeiter, Werbetexter, Barmann und Hotelmanager. Unter Burgtheater-Direktor Claus Peymann wurde der Dramatiker neben Thomas Bernhard und Elfriede Jelinek zur prägenden Figur an dieser wichtigsten österreichischen Bühne.

Aber es gab auch Rückschläge: „Wenn man wie ich seit 40 Jahren Theaterstücke schreibt, kann man ruhig sagen: Es ging einiges daneben“. So wurde sein Stück „Da Ponte in Santa Fé“ bei den Salzburger Festspielen ausgebuht. Das hielt Turrini jedoch nicht auf, und so schafft er seit Jahren unermüdlich weiter und weiter. „Bei Einbruch der Dunkelheit“ kam 2006 in Klagenfurt erstmals auf die Bühne, im gleichen Jahr wurde „Mein Nestroy“ in Wien gefeiert.

2007 folgte nach einem erfolgreichen Ausflug zum Musiktheater die Nachdichtung „Der Diener zweier Herren“ nach Carlo Goldoni, die im Theater an der Josefstadt Wien uraufgeführt wurde. Der „Standard“ überhäufte ihn mit Lob: Der „beste, witzigste und tiefsinnigste Turrini-Theatertext seit vielen Jahren“. Zahlreiche Abstecher führten ihn zum Film, als Drehbuchautor und Schauspieler, zum Beispiel im Tatort „Die schlafende Schöne“ (2005), in dem er einen Dirigenten spielt.

Jüngst ging er neue Wege und schrieb ein Kinderbuch, das Anfang 2009 veröffentlicht wurde. „Was macht man, wenn ... Ratschläge für den kleinen Mann“. Es geht um elementare Fragen im Kinderleben: wie reagieren, wenn die Nachbarstochter lächelnd über den Zaun schaut und was tun, wenn man nicht mitspielen darf oder wenn plötzlich ein Löwe daherkommt. Doch all das kann nur ein Zwischenstand sein auf Turrinis Schaffensweg, denn die Ideen scheinen ihm lange nicht auszugehen.



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