Von Carola Große-Wilde
HAMBURG (BLK) - Peter Zadek hat sich zeitlebens heimatlos gefühlt und sein eigentliches Zuhause nur auf der Bühne gesehen. Jetzt wird der große Regisseur, der am Donnerstag (30.7.) im Alter von 83 Jahren nach langer, schwerer Krankheit in Hamburg starb, seine letzte Ruhe in Italien finden. Dort, in einem kleinen Dorf in der Toscana liegt sein Sommerhaus, in den Bergen hoch über Lucca – mit einem weitem Blick in die Ebene. Vielleicht wird er dort im Garten oder auf dem Dorffriedhof beigesetzt. „Auf Wunsch der Familie findet die Beisetzung im engsten Familienkreis ohne Bekanntgabe des Grabplatzes statt“, sagte eine Sprecherin des Bestattungsunternehmen der Deutschen Presse-Agentur dpa am Mittwoch in Hamburg.
„Ich war 25 Jahre in London, aber es ist nicht mein Zuhause, und Berlin schon gar nicht, wo ich geboren bin, und Hamburg auch nicht. Mein Zuhause ist Elisabeth (Plessen). Ich bin ein Wanderer. In Israel war ich noch nie. Ich fühle mich zu Hause auf der Bühne. Das ist mein Leben, sozusagen ‚my way’“, sagte Zadek in einem letzten Fernsehporträt von 2007 (ZDF/Arte). „Wenn man mich fragt, was ich bin, sage ich, ich bin Jude. Aber ich kann auch sagen, ich bin Peter Zadek. Das ist die beste Antwort. Ich fühle mich nicht zugehörig zu einem Land oder einer Religion, dann würde ich mich nicht frei fühlen“, sagte Zadek, der mit seiner Lebensgefährtin, der Autorin und Übersetzerin Elisabeth Plessen, auch in Hamburg und Berlin lebte.
Zadek wurde 1926 in Berlin geboren. Die jüdische Familie musste 1933 nach England emigrieren, 1958 kehrte Zadek nach Deutschland zurück. Der „große Zauberer“ und „Anarchist“ habe das Theater revolutioniert, hieß es in vielen Reaktionen nach seinem Tod. Zu seinen Protagonisten gehörten über Jahre vor allem Schauspieler wie Gert Voss, Ulrich Wildgruber, Eva Mattes und Uwe Bohm. Mattes würdigte Zadek als „wichtigsten Mann in meinem Theaterleben“ und sagte: „Peter Zadek war so präzise, klug, scharf, witzig, warm, zärtlich, wie er brutal, verachtend, arrogant, grob sein konnte, er war vernünftig und verrückt zugleich, und er war immer ein Verliebter in Menschen, in ihre Extreme, in ihre Gefühle und ihr Verhalten.“
Mit Ulrich Tukur inszenierte Zadek 1984 in Berlin und Hamburg einen seiner größten Theatererfolge, Joshua Sobols „Ghetto“. Wildgruber war der unvergessene Othello in Zadeks Shakespeare-Inszenierung 1976 am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, Eva Mattes seine Desdemona, die er am Ende nackt über die Wäscheleine hängte. „Der Name Peter Zadek ist untrennbar mit dem Deutschen Schauspielhaus verbunden“, sagte Intendant Friedrich Schirmer. „Er hat dem Haus Sternstunden beschert, unter anderem mit seinen Inszenierungen von "Othello", "Andi", "Wintermärchen" und "Lulu".“ Nach Bochum war Zadek von 1985 bis 1989 Intendant an Deutschlands größter Sprechbühne.
Sein Versuch, Anfang der 90er Jahre auch im Leitungsteam des Berliner Ensembles mitzuarbeiten, endete allerdings glücklos. Zahlreiche seiner Inszenierungen waren zuletzt am Hamburger St. Pauli-Theater zu sehen, darunter „Der bittere Honig“ von Shelagh Delaney und „Nackt“ von Luigi Pirandello. Sein Lebenstraum zerplatzte noch im hohen Alter, als er die „Was ihr wollt“-Inszenierung als Einstand einer neuen freien Theaterproduktion, die er zusammen mit Tom Stromberg gegründet hatte, krankheitsbedingt absagen musste.
„Ich habe seit 50 Jahren auch immer einen Koffer gepackt, da ist alles drin, was ich brauche“, sagte Zadek in dem Fernsehporträt am Rande von Probenarbeiten im Hamburger St. Pauli-Theater. Auf die selbstgestellte Frage „Wann ist es vorbei mit dem Theater?“, meinte der Regisseur zu dem Interviewpartner: „Wenn ihr mich begrabt, dann wird es wohl vorbei sein mit dem Theater. Aber wer weiß, vielleicht gibt es da auch ein Theater.“