VENEDIG (BLK) - Gelassen sitzt sie in einer Wein-Bar am Lido „Schlimmer als in Deutschland kann es in Italien auch nicht sein“, sagt Petra Reski, wenn sie nach ihrem Mut gefragt wird, den sie doch wohl haben müsse. Die Journalistin und Autorin aus dem Ruhrgebiet, die seit bald zwei Jahrzehnten in Venedig lebt, hat es geschafft, ihr Erfolgsbuch „Mafia - Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern“ jetzt auch im Land der Camorra, Cosa Nostra und Ndrangheta herauszubringen. Außerdem hat sie eine längere Lese-Tour im Stiefelstaat begonnen - trotz der wiederholten seltsamen Drohungen, wie sie ihr bei der Vorstellung des Buches schon in Deutschland widerfahren sind. Dazu gehört wohl eine Menge Mut - auch wenn sie das lächelnd „wegwischt“.
„Hier in Italien muss ich wenigstens nicht erklären, was eine Mafia-Bedrohung ist, und auch der Gemüsehändler weiß, worum es sich bei der kalabrischen Ndrangheta handelt“, erklärt die Autorin. Petra Reski, Jahrgang 1958 und mit Wohnsitz in der Lagunenstadt, hatte mit ihrer Art Reisebericht durch Süditalien vor allem den Deutschen die Augen öffnen wollen. Denn spätestens nach den Duisburger Mafia-Morden vom August 2007 musste doch jedem klar sein oder werden, wie weit die „Krake“ aus dem Süden ihre „Tentakeln“ längst auch in Deutschland nach Beute greifen lässt. In ihrem Geburtsland in über 50.000 Exemplaren verkauft, schildert sie eindringlich ihre hautnahen Begegnungen mit der „ehrenwerten Gesellschaft“ sowie den Mafiajägern.
„Santa Mafia“, so der italienische Titel (Verlag Nuovi Mondi) des Buches, das in den Buchhandlungen ausliegt, neben einer stattlichen Reihe anderer Werke über das organisierte Verbrechen in Italien. „Es war für mich auch überraschend, dass es hier herauskommen kann“, räumt die gebürtige Kamenerin ein. Aber es könnte ein wenig so sein wie bei dem Engländer Peter Mayle, der ausgerechnet den Franzosen in seinen Erfolgsbüchern erklärt, was es mit der Provence auf sich hat. Nur dass der Brite nichts einschwärzen muss: Weil Reski Ross und Reiter der Mafia in Deutschland nennt, wurde sie in München vors Landgericht gezerrt. Ein klares Zeichen dafür, wie sicher sich die Mafia fühlt.
„Hier in Italien ist man schockiert, dass ein Buch über die Mafia zensiert werden, die Mafia sich durchsetzen kann“, verweist Reski auf die viele Internet-Post aus ihrer Wahlheimat, die sie erhält. In Italien wird viel öffentlich diskutiert, so war es auch bei Robert Saviano, der nach seinem „Gomorrha“-Bestseller Morddrohungen bekam und sich unter Polizeischutz irgendwo versteckte. Und Reskis „Santa Mafia“ liegt auch schon auf den Nachttischen von Politikern: Der von ihr unmissverständlich genannte Senator Marcello Dell'Utri, rechte Hand von Ministerpräsident Silvio Berlusconi und in erster Instanz wegen Unterstützung der Mafia zu neun Jahren Haft verurteilt, hat es zumindest quer gelesen: „Mir bleibt nur die Klage“, sagte er.
„Jeder Politiker in Italien hat Mafia-Nähe, sobald er die Gelegenheit dazu hat“, so das Fazit der jahrelangen Recherchen einer Deutschen im Land der „Mafia AG“. Das heißt aber auch, dass es keine Frage rechter oder linker Politiker ist, wie man verkürzt aus der Ferne meinen könnte. Während ihr Rundumschlag gegen alles Mafiose in sieben Sprachen übersetzt worden ist, arbeitet Reski bereits an dem nächsten Werk. „Ich bin ja keine Polizeireporterin“, und eigentlich habe sie das Thema abschließen wollen. Aber dann haben sie Freunde mit ihren Geschichten über die Mafia in Deutschland überhäuft. Was für Herbst 2010 angepeilt ist, soll aber das organisierte Verbrechen nur als Ausgangspunkt haben. Es geht um etwas genauso Wichtiges: Das störende Überlegenheitsgefühl, wie es Deutsche gern den Italienern gegenüber an den Tag legen - eben um ein Stück Völkerverständigung.
Von Hanns-Jochen Kaffsack