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Platon-Handbuch

Christoph Horn, Jörn Müller und Joachim Söder beschäftigen sich mit „Leben, Werk und Wirkung“ des Philosophen

© Die Berliner Literaturkritik, 20.03.09

 

STUTTGART (BLK) – Im April 2009 wird im J.B. Metzler Verlag das „Platon-Handbuch“, herausgegeben von Christoph Horn, Jörn Müller und Joachim Söder, erscheinen.

Klappentext: „Die philosophische Tradition Europas besteht aus einer Reihe von Fußnoten zu Platon“ (Whitehead). Platon ist einer der zentralen Klassiker der westlichen Philosophiegeschichte. Das Handbuch bietet einen konzisen Überblick über Werk und Themen; es stellt Problemfelder (z.B. Kosmologie, Ästhetik, politische Philosophie) und Begriffe (z.B. Demokratie, Seele, Wahrheit) dar. Ein umfangreiches Kapitel widmet sich der Wirkungsgeschichte (z.B. Neukantianismus, analytische Philosophie).

Christoph Horn, geb. 1964, ist Professor für Praktische Philosophie und Philosophie der Antike am Institut für Philosophie der Universität Bonn.
Jörn Müller, geb. 1969, ist Lehrstuhlvertreter für Geschichte der Philosophie am Institut für Philosophie der Universität Würzburg.
Joachim Söder, geb. 1967, ist Professor für Philosophie an der Katholischen Hochschule Aachen.
Unter Mitarbeit von Anna Schriefl und Simon Weber. (jud)

Leseprobe:

© J.B. Metzler Verlag ©

I. Zur Biographie Platons

1. Daten und Fakten zum Leben Platons

1.1 Platons Leben

Geburtsjahr und Herkunft

Die erhaltenen antiken Quellen stimmen darin überein, dass Platon im ersten Jahr der 108. Olympiade starb. Das ist, da das attische Jahr gegen Ende des Monats Juni begann, nach unserer Zeitrechnung die Zeit von Ende Juni 348 bis Ende Juni 347. Demgemäß wird das Todesjahr Platons allgemein mit 348/7 angegeben. Unterschiedlich sind die antiken Angaben über Platons Alter zur Zeit seines Todes (genannt werden das 80., das 81., das 82. und das 84. Lebensjahr) und, damit zusammenhängend, über das Jahr seiner Geburt. Am wahrscheinlichsten ist, dass er im ersten Jahr der 88. Olympiade, also im Jahr 428/7 geboren wurde und im 81. Lebensjahr starb (Jacoby 1902, 304–312).

Platons Vater Ariston soll einer Familie angehört haben, deren Stammvater der mythische athenische König Kodros war (Diog. Laert. 3, 1). Seine Mutter Periktione entstammte einer Familie, die sich auf Dropides zurückführte, der ein Verwandter und enger Freund des Gesetzgebers Solon gewesen war (Tim. 20e1–2). Zwei Angehörige dieser Familie, nämlich Periktiones Bruder Charmides und ihr Vetter Kritias, spielten in den politischen Auseinandersetzungen in Athen gegen Ende des 5. Jh.s eine Rolle (s. u.). Platon hatte zwei Brüder, Glaukon und Adeimantos, und eine Schwester, Potone, ferner einen Halbbruder namens Antiphon, der der Ehe seiner Mutter Periktione mit Pyrilampes entstammte, einem Onkel mütterlicherseits, den sie nach dem Tod Aristons heiratete. Außer seinem Vater Ariston und seinem Stiefvater Pyrilampes hat Platon alle genannten männlichen Verwandten in seinen Dialogen auftreten lassen, teils als zentrale Gesprächsteilnehmer (Charmides und Kritias im Charmides, Glaukon und Adeimantos in der Politeia), teils als Gestalten am Rande (Charmides und Kritias im Protagoras, Glaukon, Adeimantos und Antiphon im Parmenides).

Unter den zahlreichen Legenden, die sich schon bald nach seinem Tod und vielleicht sogar schon zu seinen Lebzeiten um Platon zu ranken begannen, findet sich auch die, dass sein Vater in Wahrheit nicht Ariston, sondern der Gott Apollon gewesen sei. Schon Platons Neffe, Schüler und Nachfolger in der Leitung der Akademie, Speusipp, kam darauf zu sprechen (s. Kap. I.3), ob zustimmend oder nur referierend, lässt sich nicht entscheiden. Spätere Autoren behaupteten, Platon sei am 7. Tag des Monats Thargelion (Juli/August) geboren. Auch durch diese Behauptung wurde Platon mit Apollon verbunden, denn dieser Tag galt als der Geburtstag Apollons. Die in den Quellen zu findende Behauptung, Platon habe ursprünglich, wie sein Großvater väterlicherseits, Aristokles geheißen, habe dann aber wegen seiner breiten Stirn (platys = breit) oder auch aus anderen Gründen den Namen Platon erhalten, ist dem Bereich der Legende zuzuweisen.

Von der Geburt bis zur ersten sizilischen Reise

Über Platons Kindheit und Jugend wird in den Quellen zwar mancherlei berichtet, doch steht alles dies, das eine mehr, das andere weniger, in dem Verdacht, nachträglich erfunden worden zu sein. Sicher erhielt Platon die für Kinder und Jugendliche seines Herkommens übliche literarische, musische und sportliche Ausbildung, wie er sie in seinen Dialogen Protagoras (325c–326c) und Politeia (II 376e–377a, III 403c–d, 410b–412b) beschreibt (s. Kap. I.2.3). Vermutlich hat er schon als Heranwachsender Schriften prominenter früherer und zeitgenössischer Philosophen und Sophisten gelesen, von denen man, wie seine Bemerkung über die Bücher des Anaxagoras in der Apologie (26d10–e1) zeigt, zumindest einige auf dem Markt von Athen für einen relativ geringen Preis kaufen konnte. Entscheidend für sein weiteres Leben wurde die Tatsache, dass er sich in seinem 20. Lebensjahr eng an Sokrates anschloss (Diog. Laert. 3, 6). Ob er davor, wie Aristoteles behauptet (Metaph. I 6, 987a32–b1), tatsächlich mit dem Philosophen Kratylos befreundet war und über ihn die Philosophie Heraklits kennenlernte, ist ungewiss.

Der Einfluss, den Sokrates als Philosoph und Mensch auf Platon ausübte, hätte allein aber wohl kaum genügt, die Philosophie zum Zentrum seines ganzen weiteren Lebens zu machen. Hinzu kamen die politischen Verhältnisse während der ersten 30 Jahre seines Lebens. So ist es jedenfalls im siebten der 13 unter dem Namen Platons überlieferten Briefe zu lesen. Zwar ist nach wie vor umstritten, ob dieser Brief tatsächlich von Platon stammt. Allgemein anerkannt ist jedoch, dass er, falls dies nicht der Fall sein sollte, von einer Person verfasst wurde, die mit Platons Leben aufs Beste vertraut war.

Der Siebte Brief, den Platon in der zweiten Hälfte der 350er Jahre schrieb (die genaue Datierung ist umstritten) bzw. der sich, falls er nicht von Platon selbst stammen sollte, als zu dieser Zeit von ihm geschrieben gibt, enthält einen ausführlichen Rückblick auf Platons Leben seit Erlangung der Volljährigkeit im 18. Lebensjahr. Über die Zeit nach dem Ende des Peloponnesischen Krieges, der 404 mit einer katastrophalen Niederlage der Athener endete, heißt es zu Beginn dieses Rückblicks (Ep. VII, 324b8–325a5; übers. Neumann/Kerschensteiner):

Als ich jung war, erging es mir wie so vielen: ich gedachte nach erlangter Volljährigkeit sofort in das politische Leben einzutreten. Da griffen Ereignisse, die die politischen Verhältnisse der Stadt betrafen, in mein Leben ein, und zwar folgende: da nämlich viele mit der damaligen Verfassung sehr unzufrieden waren, erfolgte ein Umsturz, und bei diesem Umsturz traten einundfünfzig Männer herrschend an die Spitze, elf in der Stadt, zehn im Piräus, diese beiden Gruppen für die Marktaufsicht und was es sonst in den beiden Stadtbezirken zu verwalten gab, – dreißig aber übernahmen die Führung des ganzen Staates mit unbeschränkter Vollmacht. Unter diesen nun hatte ich einige Verwandte und Bekannte, und so zogen sie mich denn auch sogleich zu den Geschäften heran, da mir das zukomme. Und wie es mir dann angesichts meiner jugendlichen Unerfahrenheit erging, war nicht verwunderlich. Ich glaubte nämlich, aus einem ungerechten Leben würden sie den Staat zu einer gerechten Lebensweise führen und dementsprechend verwalten, und folgte daher ihrem Vorgehen mit großer Aufmerksamkeit. Da musste ich nun sehen, wie diese Männer in kurzer Zeit die frühere Verfassung als wahres Gold erscheinen ließen – unter anderem wollten sie auch einen mir lieben älteren Freund, Sokrates, den ich unbedenklich den gerechtesten unter seinen Zeitgenossen nennen möchte, mit anderen zusammen zu einem Bürger schicken, um ihn gewaltsam zur Hinrichtung zu holen, damit er an ihrem Treiben teilhabe, ob er wollte oder nicht. Er aber gehorchte nicht, sondern setzte sich lieber der Gefahr aus, alles Erdenkliche zu erleiden, als Teilhaber ihrer verbrecherischen Taten zu werden. Da ich nun dies alles mit ansehen musste, und noch manch anderes nicht Geringfügiges solcher Art, empfand ich Widerwillen, und ich zog mich von jenem üblen Treiben zurück.

Die Rede ist in diesem Text von dem oligarchischen Terrorregime der sog. Dreißig (in späterer Zeit auch als die „Dreißig Tyrannen“ bezeichnet). Zu den Verwandten Platons, die daran beteiligt waren, gehörten seine beiden Onkel Kritias, der sich als einer der Dreißig durch besondere Radikalität hervortat, und Charmides, der einer der Zehn war, die im Piräus amtierten. Beide kamen in den Kämpfen beim Sturz der Dreißig ums Leben.

Nach dem Sturz der Dreißig und der Wiederherstellung der Demokratie im Jahr 403 verspürte Platon erneut den Drang, politisch tätig zu werden. Erneut fühlte er sich jedoch zutiefst angeekelt von dem politischen Geschehen im Allgemeinen und von dem, was Sokrates widerfuhr, im Besonderen (Ep. VII, 325b5–c5; übers. Neumann/Kerschensteiner):

Wieder aber wollte es das Schicksal, dass einige einflussreiche Leute meinen eben erwähnten Freund Sokrates vor Gericht zogen und gegen ihn eine ganz nichtswürdige, auf Sokrates am allerwenigsten passende Anschuldigung vorbrachten. Der Gottlosigkeit nämlich klagten sie ihn an, und die Richter verurteilten ihn auch und ließen ihn hinrichten, ihn, der es seinerzeit abgelehnt hatte, sich an der verbrecherischen Verhaftung eines Anhängers der verbannten Partei zu beteiligen, damals, als sie [d. h. die Demokraten] selbst in Verbannung und Elend lebten.

Platon gelangte zu der Überzeugung, dass eine sinnvolle politische Tätigkeit angesichts des kontinuierlich zunehmenden Verfalls von Gesetzgebung und allgemeiner Moral nicht eher möglich sein werde, als bis die politischen Verhältnisse von Grund auf verändert seien. Erst wenn die „wahre Philosophie“ (orthe philosophia) dazu verhelfe, die Gerechtigkeit im öffentlichen und privaten Bereich zu erkennen, und wenn „entweder das Geschlecht der rechten und wahren Philosophen zur Herrschaft im Staate komme oder das der Machthaber im Staat durch eine göttliche Fügung echte Philosophie treibe“, werde das Unheil unter den Menschen ein Ende haben (Ep. VII, 325c5–326b4). Die theoretische Durchführung dieses Programms bildet bekanntlich die Politeia, auf deren zentralen Satz von der Herrschaft der wahren Philosophen als einziger Möglichkeit einer wirklichen Besserung der politischen Verhältnisse (Rep. V 473c11–d6) der Brief an der gerade zitierten Stelle unübersehbar Bezug nimmt.

Nach dem Tod des Sokrates im Jahre 399 soll sich Platon zusammen mit einigen anderen Sokratikern zu dem Sokratesschüler Eukleides (nicht zu verwechseln mit dem Mathematiker Eukleides, der rund 100 Jahre später lebte) in dessen Heimatstadt Megara begeben haben. Die Gründe für diesen Rückzug bleiben im Dunkeln. Dass die Sokratiker sich, wie es in einer Quelle heißt (Diog. Laert. II 106), bedroht gefühlt hätten, ist unwahrscheinlich. Wie lange Platon in Megara blieb, ist unbekannt. 395/4 soll er als Soldat am Korinthischen Krieg teilgenommen haben (Diog. Laert. III 8).

© J.B. Metzler Verlag ©

Literaturangaben:
HORN, CHRISTOPH / MÜLLER, JÖRN / SÖDER, JOACHIM (Hrsg.): Platon-Handbuch. Leben - Werk – Wirkung. Unter Mitarbeit von Anna Schriefl und Simon Weber. J.B. Metzler Verlag, Stuttgart 2009. ca. 550 S., 49,95 €.

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