BERLIN (BLK) – Die polnische Kunstkritikerin Nawojka Cieslinska-Lobkowicz hat sich für eine bedingte Rückgabe der nach dem Kriegsende in Krakau lagernden Berliner Handschriftensammlung („Berlinka“) ausgesprochen. Weil eine Einigung auf der Rechtsgrundlage nicht möglich sei, müsste eine solche polnische „Geste des guten Willens“ politisch „auf der höchsten Ebene“ getroffen werden, schrieb die unabhängige Expertin in einem Beitrag für die Wochenzeitung „Tygodnik Powszechny“ (Mittwoch, 16. Januar 2008). Der im Dezember herausgegebene Katalog lasse keinen Zweifel aufkommen, dass die Sammlung ein „deutsches Profil“ aufweise, so Cieslinska-Lobkowicz. Sie hatte von 1992 bis 1996 als Mitarbeiterin der polnischen Botschaft in Deutschland das Polnische Kulturinstitut in Düsseldorf gegründet und gilt als eine ausgewiesene Expertin auf dem Gebiet der Kunstrestitution.
Die Kunstexpertin machte allerdings die Rückgabe von Bedingungen abhängig. Deutschland sollte zunächst alle während des Krieges in Polen geraubten Kulturgüter zurückgeben. Das Prinzip der Rückgabe an Polen solle auch alle polnischen Kunstobjekte betreffen, die künftig in Deutschland gefunden werden sollen. Sie erinnerte ferner an die Idee einer Stiftung, die ermöglichen würde, mit deutschem Geld infolge des Krieges zerstörte polnische Kunstbestände zu ergänzen. Gedacht werden soll auch an eine gemeinsame Ausstellung über die NS-Kulturpolitik im besetzten Ostmitteleuropa.
Die Sammlungen der Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin waren in der Endphase des Zweiten Weltkrieges ausgelagert worden, um sie vor Luftangriffen zu schützen. Ein bedeutender Teil wurde im Kloster Grüssau in Niederschlesien aufbewahrt. Infolge der Westverschiebung der polnischen Staatsgrenze befanden sich nach 1945 die Sammlungen auf polnischem Gebiet. Sie wurden in die Krakauer Jagiellonen-Bibliothek verbracht. Seit Anfang der 90er Jahre verhandeln, bisher ergebnislos, Berlin und Warschau über die Rückgabe der Kulturgüter. Die wertvolle Sammlung besteht aus 590 Musikhandschriften und Nachlassteilen unter anderem von Beethoven, Bach, Haydn, Brahms und Schubert sowie rund 210.000 Handschriften mit Briefen von Dürer, Luther, Kant, Goethe, Kleist, den Gebrüdern Grimm und Humboldt sowie Hoffmann von Fallersleben. (Der Beitrag des „Tygodnik Powszechny“ lag dpa in Warschau in Originalfassung vor)
(dpa/wip)