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Populäre Berliner Impressionen, Anekdoten und Irrtümer

Radioeins-Moderatoren Wieprecht und Skuppin veröffentlichen Hör-Lexikon

© Die Berliner Literaturkritik, 02.04.13

Dieser Text erschien erstmals am 16. Oktober 2006 in diesem Literaturmagazin.

WIEPRECHT, VOLKER / SKUPPIN, ROBERT: Berliner populäre Irrtümer. Ein Hör-Lexikon. berlin edition. 70:09 Minuten, 14,90 €.

Von Sarah Bäumchen

Dieses Hör-Lexikon „Berliner populärer Irrtümer“ ist etwas für eingefleischte Fans von Volker und Robert, derer inzwischen nicht wenige auf Berliner Trottoirs lustwandeln.

Das Radiomoderatorengespann ist geschaffen für das Anekdotenhafte, und damit begeistern sie ihre Hörer bei radioeins. Allerdings ist es dem Radioformat zu danken, dass sie niemals eine Anekdote nach der anderen abfeuern, und dabei gleichzeitig einen Spannungsbogen halten müssen. Ihre Sendungen leben von einem Changieren zwischen Anekdoten und Kurzbemerkungen, aus denen sich teils bissige Kommentare, teils Albernheiten auf höchstem Niveau ergeben, die vor allem der besonderen Beziehung zwischen den beiden geschuldet sind. Ihre im Einzelnen große Fähigkeit zu politischem Journalismus lebt also vor allem von einem persönlichen Unterbau. Und das macht die beiden so unnachahmlich. Das Format, dem sie sich mit diesem Hörlexikon verschrieben haben, scheint auf den ersten Blick ihrer gemeinsamen Befähigung zu entsprechen.

Leider ist das de facto nicht der Fall. Die beiden, sonst oft auf der Schwelle zur spontanen Genialität, wirken in dieser Live-Situation zeitverzögert, gehemmt, mitunter fast gestellt. Man merkt, dass die beiden ein anderes Medium gewöhnt sind, und vor allem eine kürzere Zeitspanne für ihr Wirken. Sie sind, das wird deutlich, primär Meister der Kurzauftritte, und zwar im Schutz gebenden Radio - dort fühlen sie sich wie am Jungbrunnen. Aber hier, beim Livemitschnitt einer Lesung, wirken sie gelinde gesagt wie die Antithese einer Popliteratur. Sie hätten vielleicht lieber autobiographische Geschichten erzählt. Oder semi-autobiographische, ist ja völlig schnuppe, aber es wäre schön, den Sprachwitz der beiden aufblitzen zu sehen, und das belebende Changieren ihres Wechselspiels zu genießen. Stattdessen blitzsauber recherchierte Berliner Mythen. Eine nette Idee, vielleicht ein kleines bisschen bei der Arte-Sendung „Karambolage“ abgeguckt, aber okay. Größtes Manko allerdings: sie konnten sich nicht entscheiden. Die Entscheidung lag zwischen ernsthaftem Journalismus und Entertainment. Und der realisierte Mischmasch ist fern der gewohnten Brillanz.

Im Vortrag der einzelnen Hörstückchen wechseln sich die beiden ab. Die verschiedenen Impressionen zum Berliner Stadtklima, den Gelüsten betagter Nachbarinnen in Wilmersdorf, Currywurst, Männervereinen, dem Ampelmännchen oder Stadtplanung im Berliner Klüngel lassen des Öfteren eine gelungene Pointe vermissen. Roberts sonst extremen Lustgewinn bringende Kurzbemerkungen sind am Stück nur noch selten wirkungsvoll. Es ist nicht so, dass keine Qualität geboten würde, es ist das Format, das den Unterschied macht. Ihre anekdotische Mythensammlung ist inhaltlich spannend, aber die Form des Vortrags schafft den Spagat zwischen Unterhaltungsanspruch und gutem Journalismus mit wenigen Ausnahmen nicht. Die mit Abstand schönsten Hörstückchen haben sich die beiden für den Schluss aufgehoben, und allein für diese beiden lohnt sich die CD dann doch. Das eine behandelt die historische Entwicklung des Berliner Radiomarktes inklusive Ost-West-Genese. Das andere hat das Zeug, zur Leibspeise aller Fans zu werden: hochkarätige Anekdoten darüber, wie Volker und Robert sich kennen lernten, aus beiden Perspektiven. Bei dieser Gelegenheit lebt auch das Element wieder auf, das ihre Radiosendungen so unnachahmlich macht - die gegenseitige Ironisierung.

 

Insgesamt hätte wohl jeder begeisterte Radiofan mehr von seinen Antihelden erwartet, aber es bleibt trotz allem eine gut recherchierte Sammlung von historischen Anekdoten über die Berliner Kultur. Mehr als ein amüsanter Schlussakzent kann allerdings nicht versprochen werden. Demnächst vielleicht mehr über wahre oder erfundene Fehltritte des geliebten Co-Moderatoren? Das Volk fordert weniger Recherche und mehr Kreativität -  denn an letzterem mangelt es Ihnen ja nicht, meine Herren Wieprecht und Skuppin!

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