BERLIN (BLK) – Der Roman „Privatsachen“ des katakanischen Schrifstellers Josep Maria de Sagarra ist erstmalig 1932 erschienen. Im Februar 2009 veröffentlichte der Elfenbein Verlag das bekannteste Werk Sagarras in einer Übersetzung von Felice Balletta und Sven Limbeck.
Klappentext: Ein unbezahlter Wechsel und seine fatalen Folgen – als sich Don Tomàs de Lloberola, das kauzig-hypochondrische Oberhaupt einer verarmten Barceloneser Adelsfamilie, weigert, für die Spielschulden seines ältesten Sohnes Frederic zu bürgen, provoziert er mit seiner Entscheidung eine Reaktion mit weitreichenden Konsequenzen… In seinem bekanntesten Roman (erschienen 1932) beschreibt Josep Maria de Sagarra, der selbst der katalanischen Aristokratie entstammt, mehr als nur den finanziellen und moralischen Niedergang der mittellosen, aber stolzen Lloberolas. „Privatsachen“ ist zugleich ein emblematischer Schlüsselroman von epischer Breite, der alle Gesellschaftsschichten Barcelonas umfasst: anachronistisch wirkende Aristokraten und neureiche Emporkömmlinge, geschäftstüchtige Konkubinen und falsche Heilige.
Josep Maria de Sagarra (1894–1961) ist einer der populärsten und vielseitigsten katalanischen Autoren seiner Zeit. Nach seinem Jurastudium strebte er zunächst eine Diplomatenkarriere an, widmete sich aber dann doch vor allem dem Theater und der Schriftstellerei. Spanische Volkslieder und bekannte Sagen und Legenden dienten Sagarra als Inspirationsquelle für seine Stoffe. Auch als Publizist und Übersetzer von Shakespeare-Stücken und Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“ machte er sich einen Namen. (kum)
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Die äußere Moral wurde in diesen Familien so streng überwacht, dass man es oft schon anstößig fand, wenn eine berühmte Schauspielerin oder Tänzerin, der Titel eines Romans oder der Name eines intelligenten Autors erwähnt wurden. Niemals kam bei Besuchen bei der Dame des Hauses ein Gesprächsthema über die Lippen, das auch nur im Entferntesten als freizügig hätte ausgelegt werden können. In den Unterhaltungen konnte man nur über Religion, Krankheiten, die Erziehung der Kinder oder Fragen des Personals oder Besitztums sprechen. Politik wurde nur sehr vage und unter malerischen Gesichtspunkten kommentiert. Die moralische Strenge war rein äußerlich und verhinderte keineswegs, dass nicht im Herzen der am besten dastehenden Familien heimlich jede nur denkbare sexuelle Armseligkeit vorkam, dass sich Fälle schändlicher Degeneration verzeichnen ließen, dass ein angesehener Herr mit weißem Haar, Träger von Baldachinen und Kerzen, ein Homosexueller war, mit allen Folgen, die das hatte, oder ein Sadist, der seine Neigungen feige versteckt in der Mitwisserschaft niedersten Volks pflegte. In einer Zeit, da das galante Leben unserer Stadt noch nicht das Ausmaß und die Schamlosigkeit von heute angenommen hatte, gingen manche dieser Aristokraten ihren sexuellen Neigungen im Umfeld von Plebs und Gosse nach. Es war nichts Besonderes, wenn sich aller Reiz in den Strümpfen einer Köchin oder in der Leibesfülle einer ausländischen Amme verdichtete. Ein Aristokrat, der einer Tänzerin am Liceu ein Diamantkollier schenkte oder einer Modistengehilfin einen Hut kaufte, der mit Stoffkamelien oder dunkelblauen Vogelfedern verziert war, der galt als skrupellos, als Mann, der seine eigene Klasse öffentlich beleidigte.
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Literaturangabe:
SAGARRA, JOSEP MARIA DE: Privatsachen. Aus dem Katalanischen von Felice Balletta und Sven Limbeck. Elfenbein Verlag, Berlin 2009. 416 S., 25 €.
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