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„Putz- und Flickstunde“ in Ost und West

Ein deutsch-deutscher Wehrdienstvergleich

© Die Berliner Literaturkritik, 15.04.09

 

Von Katrin Börner

Zwei kalte Krieger erinnern sich. Die Schriftsteller Sten Nadolny (66, „Die Entdeckung der Langsamkeit“) und Jens Sparschuh (53, „Schwarze Dame“), plaudern in ihrem gemeinsamen Buch „Putz und Flickstunde“ über ihre Militärdienstzeit in Ost und West. Unterschiedlicher könnten die Erinnerungen kaum sein. Sten Nadolny verpflichtet sich von 1961 bis 1963 freiwillig für zwei Jahre bei der Bundeswehr, Jens Sparschuh musste 1983 durchaus unfreiwillig drei Monate als Reservist bei der NVA abdienen.

Wo Männer zusammensitzen, kommt das Thema Militär zuweilen schnell zur Sprache, egal ob sie mit Herzblut die Waffe ergriffen oder eher widerwillig – Frauen kennen das. Auch die beiden Schriftsteller landeten während einer Bergwanderung eher beiläufig bei dem Thema.

Doch bei dieser Brotzeit stellten sie offenbar fest, dass sie sich einer grundsätzlichen Differenz zwischen den real existierenden Hälften Deutschlands vor der Wende genähert hatten. Also setzten sie sich wieder zusammen, um die Gegensätze gründlicher auszuloten.

Gemeinsamkeiten sind bei diesem Vergleich zwischen den Streitkräften in Ost und West kaum auszumachen. Allerdings gab es in beiden die Putz- und Flickstunde für Waffen und Uniformen – daher der Titel. Unversehens aber wird das Buch zu einem Plädoyer für die Demokratie und ihre Institutionen. Verlässlich festgeschriebene Rechte sichern die Menschenwürde, stellen die Schriftsteller fest, auch dem Soldaten.

Erschreckendes, Vergnügliches und Seltsames kommt bei der Ost-West-Plauderei heraus. Wäre der Kalte Krieg heiß geworden, hätten die beiden Wortzauberer vielleicht sogar aufeinander schießen müssen.

Denn eine Waffe trugen beide während ihrer Dienstzeit, auch wenn der eine die Aufgabe hatte, Fernmeldeleitungen durch den Wald zu ziehen, und der andere Pontonbrücken über die Elbe baute. Übrigens geben beide zu, dass sie Schusswaffen außerordentlich faszinierend fanden.

Unterbrochen wird das Gespräch von zwei Einschüben. Jens Sparschuh schildert in „Puzzle“ den Monolog eines Stasi-Vernehmungsoffiziers, in dem die Vorgeschichte zur unfreiwilligen Dienstzeit des Autors erhellt wird. Sparschuh hatte seine reguläre Dienstzeit durch sein Studium in der Sowjetunion versäumt und sich offenbar durch sein wissenschaftliches Interesse und seine internationalen Kontakte verdächtig gemacht. Die Drohung mit einer jederzeit möglichen Einberufung als Reservist sollte den Doktor phil. offenbar auf (Staats)-Linie bringen.

Sten Nadolny schildert in „Die Geschichte des Funkers Reuter“ wie Träume unversehens zu Alpträumen werden können, wenn sie denn mit Militär und drohender Vernichtung zu tun haben. Am Ende des Buches steht ein kritischer Bericht Nadolnys, den er nach dem Abschluss seiner Dienstzeit für die Wochenzeitung „Die Zeit“ schrieb.

Beide Schriftsteller stehen dem Militär kritisch gegenüber. Beide erzählen von mangelnder Privatsphäre, dem drückend engen Beieinander vieler Menschen, von Langeweile oder unsinnigen Tätigkeiten und regen dazu an, über die tödlichen Konsequenzen von Armeen nachzudenken.

Doch sie halten sich mit Ratschlägen für junge Leute, die vor der Entscheidung Bundeswehr oder Ersatzdienst stehen, bewusst zurück.

Literaturangaben:
NADOLNY, STEN/SPARSCHUH, JENS: Putz- und Flickstunde. Zwei kalte Krieger erinnern sich. Piper Verlag, München 2009. 224 S., 6,95 €.

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