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Puzzle mit Endzeitstimmung

Åke Edwardsons aktueller Krimi „Toter Mann“

© Die Berliner Literaturkritik, 01.12.09

Von Theresa Münch

Åke Edwardson zu lesen ist wie puzzeln - nur ohne die Gewissheit, dass wirklich alle Teile in der Schachtel sind. Stück für Stück lässt der schwedische Krimiautor in „Toter Mann“ das Bild eines lange vergessenen Verbrechens entstehen. Der sympathische Göteborger Kommissar Erik Winter steht in seinem neunten Fall vor dem bislang düstersten Rätsel: Ein verlassenes Auto auf einer Brücke, Schüsse auf einen Schriftsteller. Ein vor 30 Jahren verschwundenes Mädchen und die Jungen, die sie damals als letzte sahen. Und hinter allem eine für Winter schmerzliche Konfrontation mit der eigenen Vergangenheit.

Es dauert lange, bis Edwardson die Fäden seiner zahlreichen Handlungsstränge zusammenführt. Der verlassene Wagen führt zu einem Lokalpolitiker im Schwulenmilieu. Ein Schriftsteller ist nie über den Verlust seiner Schwester hinweg gekommen und will einen Roman über ihr Verschwinden schreiben. Das Manuskript ruft Göteborgs bekanntesten Gangster auf den Plan. Doch wie fügen sich Kommissar Winters bruchstückhafte Erinnerungen von einem Segeltörn in das Puzzle ein? Immer wieder wechselt Edwardson Perspektive, Zeit oder Ort und lässt das Verhältnis seiner Hauptpersonen lange im Dunkeln.

Am Ende hat Kommissar Winter wieder den richtigen Riecher und löst sein Puzzle. Deutlich wird aber, dass er seinen kriminalistischen Höhepunkt überschritten hat. Edwardson läutet das Ende seiner Erik-Winter-Reihe ein. „Toter Mann“ sei der vorletzte Fall, sagt er. Aus dem dynamisch-ehrgeizigen Single-Kommissar des ersten Bandes ist erst ein glücklicher Familienvater geworden. Jetzt ist er von der midlife-crisis gebeutelt und immer wieder depressiv. In „Toter Mann“ kommen Winters Probleme mit Beruf, Familie, Alkohol und Migräneanfällen mit solch einer Wucht, dass es für einige Leser verlockend erscheinen könnte, das Buch nach 100 Seiten aus der Hand zu legen.

Auch Winters Kollegen kämpfen mit persönlichen Problemen: Der eine outet sich als homosexuell und verlässt Frau und Tochter. Die anderen, seit Jahren ein Paar, stehen kurz vor der Trennung. Endzeitstimmung auf fast jeder Seite. Der schwedische Originaltitel „Nästan död man“ („Fast toter Mann“) trifft es gut: Jeder einzelne Protagonist scheint leblos, „fast tot“. Und doch hält Edwardson seine Leser bis zum tragischen Schluss des Krimis in Atem. Langsam fügen sich die Geschichten zusammen, spitzen sich zu bis zum Finale auf einer einsamen Schären-Insel. Nur ein einziges Puzzleteil scheint am Ende zu fehlen.

Literaturangabe:

EDWARDSON, ÅKE: Toter Mann. Ullstein Verlag, Berlin 2009. 544 S., 19,99 €.

Weblink:

Ullstein Verlag

 


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