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Ramsauer als Sprachpfleger

Klapprechner oder Laptop

© Die Berliner Literaturkritik, 30.12.10

Von Ruppert Mayr

BERLIN (BLK) - Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat eine neue Aufgabe. Der Bayer tritt auf wie ein selbst ernannter Regierungsbeauftragter für die Pflege der deutschen Sprache. «Ich habe unnötige Anglizismen aus meinem Ministerium verbannt. Es geht dabei nicht um gängige Eigennamen, sondern um Kauderwelsch», sagte Ramsauer und zählt eine Reihe von skurrilen und sicherlich auch unnötigen englischen Wendungen auf, etwa: «Inhouse Meeting über Outsourcing Projekte» (hausinterne Besprechung über die Frage, wie man Aufgaben auslagern kann).

Im Ministerium gibt es inzwischen eine Liste von deutlich über 100 Anglizismen, die die Mitarbeiter zurückübersetzen sollen. Da wird der Gigaliner zum Lang Lkw, der Beamer zu Datenprojektor oder die E-mail zur Nachricht, der Shareholder zum Anteilseigner, der Laserpointer zum Laserzeiger. Der Laptop wurde zunächst zum Klapprechner rückübersetzt, in der Liste heißt er nun mobiler Rechner.

Davon abgesehen, dass Ramsauer in vielen Fälle Anglizismen jetzt mit Wörtern wiedergibt, deren Ursprung auf das Lateinische zurückgehen, muss Ramsauer an diesen Beispielen auch erkennen, dass er mit seiner Sprachpflege irgendwann an Grenzen stößt, nämlich «dann, wenn ein Anglizismus sich entweder als Marke, Eigenname oder als technischer Fachbegriff eingebürgert hat.» Und so muss der Minister den Laptop letztlich hinnehmen. «Hier lässt sich das Rad nicht mehr zurückdrehen», räumt er nun ein.

Auf diese Säuberungsaktion des Ministers angesprochen begann der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans zu schmunzeln. «Im Interesse einer besseren Verständlichkeit» sei es «immer hilfreich, wenn man für ein kompliziertes Wort ein einfaches, verständliches Wort findet. ... Das ist aber mehr eine Frage des persönlichen Stils als einer Behörde oder Organisation.»

Ramsauers Sprecherin Sabine Mehwald beeilte sich daraufhin klar zustellen, dass auch der Minister kein Verbot und keine Anweisung ausgesprochen habe. «Das hat nichts Zwanghaftes», sagte sie. Ramsauer habe wegen der großen Zustimmung aus der Bevölkerung auch Unterstützung im eigenen Hause. Der Austausch der Anglizismen sei auch kein Aufwand, sondern laufe quasi neben der Arbeit her.

Die Klage Ramsauers über eine verhunzte Sprache ist wohl so alt wie die Sprache selbst. Sprache ist immer im Fluss - und auch von außerhalb der Sprachgemeinschaft beeinflusst. Sie muss funktionieren. Und sie funktioniert für einzelne Sprachgruppen unterschiedlich. Gern wird in diesem Zusammenhang die Jugendsprache zitiert.

Was die Jugendlichen wollen, ist: sich abgrenzen, cool sein, Tabus brechen und Ähnliches. Und auch diese Sprache entwickelt sich weiter. Haben die heutigen Supporter (Eltern) in den 60er und 70er Jahren mit dem Wort «geil» für «super, sehr gut/schön» noch provozieren können, lockt das Wort heute keinen Enkel mehr hinterm Ofen vor. Heute heißt es «fett» oder «fundamental». Und wer nicht mitmacht, wird leicht zum «Loser». Das von Mehwald für besonders problematisch angesehene Denglisch Handy wird möglicherweise bald zum Händi und genau so eingedeutscht wie die nicht mehr als solche erkennbaren Anglizismen Streik, Keks, Gully oder Tank.

Was in die Sprache aufgenommen wird, bestimmt mit Sicherheit nicht Peter Ramsauer, er kann höchstens Vorschläge machen. Es ist die Sprachgemeinschaft, die - aus letztlich unerfindlichen Gründen - Wörter übernimmt oder aussortiert. Der Germanist Rudi Keller hat dafür - übrigens aus den Wirtschaftswissenschaften - den Begriff der Unsichtbaren Hand in die Sprachwissenschaft übernommen. Manche Wörter sind Gelegenheitsbildungen für einen Tag. Manche setzen sich für lange Zeit durch. Alle ändern ihre Inhalte im Lauf der Jahre. So kommt populär ebenso vom lateinischen populus (Volk) wie Populismus.

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Steegmans versuchte, die fragenden Journalisten zu beruhigen. Angesichts der Tatsache, dass das schon vor tausend und mehr Jahren in der sogenannten althochdeutschen Sprachepoche geläufige Wort «Maut» auch heute noch existiere und nicht durch das englische Wort «Toll» ersetzt werde, «muss es uns an der Stelle nicht bange sein».

Der Auto Club Europa (ACE) empfahl dem Verkehrsminister, als Hobby-Sprachpfleger «demnächst auch die Straßenverkehrsordnung einer sprachlichen Entrümpelungsaktion zu unterziehen». So enthalte die Winterreifenpflicht «nur schwer einzuordnende Querverweise auf unbekannte Richtlinien. Diese umfassten teils mehr als 90 mit Behördenkauderwelsch gespickte Seiten». Behördenkauderwelsch kann also auch auf Deutsch verfasst werden.


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