Von Matthias Reichelt
Tex Rubinowitz ist den meisten als fein- und vor allem hintersinniger Zeichner bekannt, der es mühelos fertig bringt, kleine, banale Alltagssituationen mit komischen und gleichwohl komplizierten Überlegungen zu Raum und Zeit in Einklang zu bringen und in scheinbar dilettantischen Zeichnungen aufs Papier zu kritzeln. Das ist dann so hinreißend komisch und skurril wie in dem wunderbaren Buch mit dem preisverdächtigen Titel „Und für Leute, die überhaupt nicht lesen können, ist die Zigarette durchgestrichen“, das durchweg auf kariertem Papier gedruckt 1999 bei Haffmans herauskam. Seine Cartoons erscheinen regelmäßig in der Titanic aber auch in der FAS.
Tex Rubinowitz heißt mit bürgerlichem Namen Dirk Wesenberg, wurde 1961 in Lüneburg geboren und lebt seit Mitte der 80er Jahre in Wien. Ein Multitalent, das nebenher Musik macht, die Internetplattform „Wir hoeflichen Paparazzi!“ begründete und eben auch Romane schreibt.
Mit „Ramses Müller“ beleuchtet Rubinowitz ein bestimmtes Medien- und Kulturmilieu Berlins an Hand ausgewählter Spezies. Es geht um kein geringeres Personal als um Benjamin Stuckrad-Barre, Christoph Schlingensief und Leander Haußmann. Was für eine Chance, den Schnösel als Bildzeitungsreporter mit dem Tausendsassa und Theaterexperimentator sowie den erfolgreichen Boulevardregisseur in einem Plot aufeinander treffen zu lassen. Armin und Schubal, wie der rumänische Maschinist auf dem Schiff, mit dem Karl Roßmann in Kafkas Roman nach Amerika fährt (und eben nicht wie der namenlose Heizer, wie Rubinowitz irrtümlich schreibt), lernen sich vor der Paris Bar kennen. Dort begehren sie Einlass zu einer Premierenfeier anlässlich Leander Haußmanns Inszenierung des „Partyschreck“ nach Blake Edwards mit Kurt Krömer in der Hauptrolle. Die weitere Nacht verbringen sie bei einer Odyssee durch Clubs, wo sie dann auf Doppelgänger bzw. die wirklichen VIPs der Berliner Republik stoßen. Ganz klar wird das nie, ob es sich nun um Doubles oder die realen Personen handelt, denn alle in diesem in einer Nacht und einem Tag spielenden Roman sind fortan um ihre Erscheinung und Wirkung auf die anderen Personen besorgt. Die Eitelkeit als Motor von Gesprächen mit dem ständigen Zwang zu intellektuellen Aperçus und einem kläglichen Scheitern zieht sich mäandernd durch das Buch. Der Übergang von um Aufmerksamkeit heischendes Verhalten zu auffälligem Verhalten ist dabei fließend.
Das hippe und stets um sich kreisende Berliner Kulturmilieu ins Visier zu nehmen und etwas durch den Kakao zu ziehen, könnte durchaus seine Reize haben. Dies aber in eine dermaßen verquere und sehr bemüht surreal erscheinende Handlung eines 222 Seiten langen Romans mit enervierenden Drehungen, Camouflagen und Wiederholungen zu packen, kann nur als gescheitert bewertet werden. Rubinowitz bewegt sich dabei gerne an der Ekelgrenze entlang, um diese hin und wieder zu überschreiten. Die Toilette ist voll, das Toilettenpapier weg, es stinkt nach Scheiße und die Därme blähen ordentlich. Auch wenn man ein Faible dafür haben sollte, so ist das auf Dauer ermüdend und allzu pennälerhaft. Der Roman will das eklige Verhalten medienerfahrener und gleichsam -geiler Früchtchen mit allzu durchschaubaren Mitteln in die Niederungen der Fäkal- und Brechreizwelt ziehen. Dafür ist das aber alles zu gedrechselt. In der Nacht kommt es in dem Roman zu dadaistischen bis kafkaesken Begebenheiten, die zu wirren Gesprächen über Promis, Kokserei und vieles mehr führen. Auch wenn hier und dort mal ganz nette Sätze (oftmals in bernhardscher Länge) auftauchen und das Buch auch geglückte Seitenhiebe gegen eine egomanische Partygesellschaft enthält, so ist es dennoch auf weiten Strecken langweilig zu lesen.
Das Einstreuen aller im Boulevard gehypten Geschichten und Personen (Anja Kruse, Heiner Müller, Charlotte Roche) lässt zwar erkennen, dass Rubinowitz sich sowohl in den Feucht- wie auch Trockengebieten des Boulevards der Berliner Republik auskennt, aber allein durch die Nennung der Personen und ihren Anekdötchen werden sie nicht unbedingt in eine sinnvolle - d.h. komische - Handlung eingebunden. Allein das Abarbeiten von Namen schafft keinen literarischen Mehrwert.
Literaturangabe:
RUBINOWITZ, TEX: Ramses Müller. Eichborn Verlag, Frankfurt/Main 2009. 222 S., 16,95 €.
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