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„Reality-Show” von Amélie Nothomb

Eine Kritik am modernen Medienbetrieb

Von: BJÖRN HAYER - © Die Berliner Literaturkritik, 11.08.09

Es ist ein kleines Meisterwerk von höchster Aktualität, mit der die französische Autorin Amélie Nothomb die Perversion des modernen Medienbetriebes in grotesker Manier ad absurdum führt. Was einmal schleichend mit Big Brother und Ähnlichem begann, mündet in ihrem satirisch-pessimistischen Zukunftsentwurf „Reality-Show“ in der Sendereihe „Konzentration“. In beklemmender Anlehnung an die Nazi-Lager inszeniert sie die Veräußerung jeglicher Intimität und die Aufgabe menschenwürdiger Existenz zugunsten eines schaugeilen Publikums und gewissenloser Produzenten.

Die Geschichte ist dabei so unglaublich wie erschreckend: Nach willkürlicher Entführung finden sich die Gefangenen in einer Art Straflager wider, in dem sie von den verrohten Kapos vor laufenden Kameras brutaler Demütigung ausgesetzt werden. Der tägliche Wahnsinn erfährt seinen Höhepunkt in der Hinrichtung derer, die zunächst durch die Wächter, später dann das Publikum per Wahl in den Tod geschickt werden. Doch jenseits all des Schreckens und moralischen Verfalls steht die, mit himmlischen Namen bezeichnete, Heldin Pannonica, die das Unmögliche möglich macht, indem sie dem Hass die Liebe entgegenstellt, die Leere durch Sinn erfüllt.

In vornehmlich konventioneller Lakonie wirkt Nothombs Roman als gesellschaftskritische Anklage an Publikum und blinde Kommerzialisierung der Medienlandschaft. Dabei beruht die Schreibweise stets auf niveauvoll akzentuierten Bildern, die sich eben gerade der detailreichen Darstellung von Gewalt entzieht. Nicht die Kamera, die das Leid und die Brutalität minuziös nachzeichnet; nicht der Observateur, der bei drastischen Bildern seiner Geilheit frönt, zeichnet den Blickpunkt aus. Wohingegen sie in der Beschreibung bewusst dezent bleibt, scheint die Pathetik ihrer Heldin sowie der Ausgang der Geschichte eine teils verzerrte Szenerie zu hinterlassen, wodurch das Ganze geringfügig an Glaubwürdigkeit verliert. Dennoch ein bedeutender Roman, der längst überfällig war. Und wie sagt doch Pannonica am Ende selbst- „Moral ist wichtig. Das könnte solche Sendungen wie ‚Konzentration‘ verhindern.“

Von Björn Hayer

Literaturangabe:

NOTHOMB, AMÉLIE: Reality-Show. Roman. Aus dem Französischen von Brigitte Große. Diogenes Verlag, Zürich 2009. 176 S., Leinen, 17,90 €.

Weblink:

Diogenes Verlag

Björn Hayer ist Student der Germanistik an der Universität Mainz und arbeitet als freier Literaturjournalist


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