BERLIN (BLK) - Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) hat die Rettung bedrohter Archiv- und Bibliotheksbestände in der Bundesrepublik zu einer „dringlichen nationalen Aufgabe“ erklärt. Bei einem „Krisengipfel“ mit Bibliothekaren und Archiv-Experten aus ganz Deutschland im Kanzleramt sagte Neumann nach Angaben seines Büros vom Donnerstag, die authentischen Bestände und Originale seien als schriftliches Kulturgut „von immenser Bedeutung für unsere Kulturnation“.
Der Zerfall „sauren Papiers“ bedrohe das gesamte Archiv- und Bibliotheksgut aus der Zeit zwischen etwa 1850 und 1990. „Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie sich wertvolle und unersetzliche Originale langsam auflösen“, betonte Neumann. Das in früheren Zeiten verwendete säurehaltige Papier und der sogenannte Tintenfraß gelten als die größten Gefahren.
Auch habe der Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln gezeigt, „dass unser kulturelles Erbe auch anderen Bedrohungen ausgesetzt ist“. Bei dem Treffen im Kanzleramt wurde die Bildung einer Arbeitsgruppe unter Neumanns Leitung mit Beteiligung der Länder und Gemeinden sowie betroffener Einrichtungen vereinbart, die schon im Herbst wieder zusammentreten wird. Dabei soll auch über die Einrichtung einer nationalen Koordinierungsstelle gesprochen werden.
Für Neumann geht es jetzt darum, „den Erhalt von schriftlichem Kulturgut im digitalen Zeitalter - unbeschadet der besonderen Kompetenz der Länder - in gesamtstaatlicher Verantwortung effizienter zu organisieren, zu koordinieren und zu fördern“. Schon 2007 hatte die Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ Bund und Ländern empfohlen, eine Konzeption zur nationalen Bestandserhaltung von Archivgut zu erarbeiten.
An dem Treffen im Kanzleramt nahmen auch Vertreter der „Allianz zur Erhaltung des schriftlichen Kulturgutes“ teil, die im April Bundespräsident Horst Köhler eine Denkschrift „Zukunft bewahren“ übergeben hatten. Bei dem Treffen mit Köhler hatten die großen Archive und Bibliotheken in Deutschland Alarm geschlagen und eine „nationale Anstrengung“ zur dauerhaften Sicherung ihrer Bestände gefordert. Das Elbehochwasser 2002, der Brand in der Anna Amalia Bibliothek Weimar 2004 und zuletzt der Einsturz des Kölner Stadtarchivs hätten die Öffentlichkeit aufgerüttelt und gleichzeitig deutlich gemacht, dass das schriftliche Kulturgut in Deutschland „nicht dauerhaft gesichert“ sei. „Die Uhr tickt“, hieß es von den Experten.
Allein in den deutschen Bibliotheken wiesen mehr als 60 Millionen Druckschriften heute Schäden auf, ein Drittel gelte als schwer geschädigt. Deutschland steht nach Ansicht der Experten in diesem Bereich vor drei großen Herausforderungen: die digitale Vernetzung, die langfristige Datensicherung und der Erhalt der Originale. Der Bund sollte daher jetzt die Federführung bei einer nationalen Konzeption zur Rettung und Sicherung des Kulturgutes übernehmen, zudem müssten Bund und Länder eine zentrale Koordinierungsstelle einrichten, hieß es schon damals. (dpa/ber/mül)