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„Revolution und Filzläuse“ – Torsten Schulz’ gelungener Erzählband

Die Geschichten drehen sich um den Einfluss, den Vergangenheit und Erinnerung auf die Gegenwart haben können

© Die Berliner Literaturkritik, 06.05.08

 

Von Gregor Tholl

Bereits der Titel „Revolution und Filzläuse“ verrät, worauf es dem Autor Torsten Schulz in seinem Erzählband ankommt: Das Hochgeistige und Erhabene ist auch stets mit dem Körperlichen und Banalen verbunden. Schulz, der mit seinem 2004 erschienenen ersten Roman „Boxhagener Platz“ Erfolge feierte, hat nun 12 Kurzgeschichten geschrieben. Die Storys des vielseitigen Autors Schulz, der unter anderem Professor für Praktische Dramaturgie an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF Konrad Wolf) in Potsdam-Babelsberg ist, sind zum Teil rührend, ohne kitschig zu werden. Vor allem in den etwas längeren Erzählungen gelingt es ihm, die Melancholie und Sehnsüchte seiner Protagonisten zu vermitteln.

In der Titel gebenden Geschichte geht der 21-jährige Thomas in ein Bordell und erlebt seine äußerst rasche Entjungferung durch die Vietnamesin Nguyen. Der Puff-Besuch des Studenten ist eine Reaktion auf den Frust, den das zunächst erfolglose Werben um die attraktive Nicole hinterlassen hat. Nicole ist mit einem untreuen, älteren Amerikaner zusammen, der seine Sympathie für das kommunistische Kuba vor sich her trägt und wie ein gealterter Che Guevara aussieht. Nach langem Hin und Her, und als es eigentlich schon zu spät ist, kommt Thomas doch noch zum ersehnten Sex mit Nicole. Er gibt ihr gleich auch noch die im Puff geholten Filzläuse weiter, die diese dann aber nicht ihm zuordnet, sondern dem promisken Amerikaner.

In einer anderen Geschichte wird eine Wohnungsbesichtigung im Ostteil Berlins zur Nachwendezeit geschildert, die zum Rededuell wird. In einer weiteren Story geht es um den geheimnisvollen KZ-Aufenthalt eines Großvaters. Die sehr unterschiedlichen Erzählungen werfen Schlaglichter auf die deutsche Geschichte – von der Nazi-Zeit, über die DDR bis ins Heute. Dabei haben sie Tiefgang und sind Unterhaltung auf hohem Niveau. In fast allen schimmert die DDR-Sozialisation des Autors durch, ohne dass es beschönigende „Ostalgie“ wird oder abrechnender Hass. Die Geschichten drehen sich um den Einfluss, den Vergangenheit und Erinnerung auf die Gegenwart haben können. Die immer leicht vertrackten Geschichten handeln von Liebe, Tod, Verlust und erlebten oder ersehnten Brüchen – Revolutionen eben.

Literaturangaben:
SCHULZ, TORSTEN: Revolution und Filzläuse. Erzählungen. Ullstein Verlag, Berlin 2008. 160 S., 16 €.

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