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Rieselndes Geplapper des Pappellaubs

Zwei Erzählungen des russischen Schriftstellers Iwan Bunin

© Die Berliner Literaturkritik, 23.01.12

BUNIN, IWAN: Das Dorf. Suchodol. Aus dem Russischen von Dorothea Trottenberg, herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Thomas Grob. Dörlemann Verlag, Zürich 2011. 382 S., 24,80 €, ISBN 978-3-908777-79-0

Von Volker Strebel

Iwan Bunin (1870-1953), der 1933 als erster Russe den Nobelpreis für Literatur erhalten hatte, war 1953 krank und verarmt in Paris gestorben. Als leidenschaftlicher Kritiker der russischen Revolution war Bunin 1920 in das französische Exil geflohen. Fassungslos über die vollkommene Zerschlagung alles Bisherigen hatte er seine Eindrücke in seinem Revolutionstagebuch „Verfluchte Tage“ aufgezeichnet.  

Bunin entstammte aus altehrwürdigem Hause, dennoch war seine Kindheit nicht von der kulturellen Üppigkeit eines adeligen Lebens in der Metropole geprägt. Bunin wuchs vielmehr in der typischen Monotonie der russischen Provinz auf. Aus dieser Welt seiner Kindheit hat er Bilder, Sujets und Motive für seine Texte entnommen.

Die beiden frühen Erzählungen „Das Dorf“(1910) und „Suchodol“(1912) vermitteln zudem den Eindruck, als habe Bunin bereits vor seinem Exil eine Art widerstrebende Verzahnung mit der russischen Provinz verbunden. Hingezogen und abgestoßen zugleich, wie es sich auch im Leben der beiden ungleichen Krassow-Brüder Tichon und Kusma in der ersten Erzählungen abspielen sollte. Während Tichon auf dem ererbten Land geblieben war, hatte es seinen Bruder in das städtische Leben verschlagen. Kusma verstand sich als Schriftsteller, wobei sich selbstverständlich nicht die Spur eines Erfolges eingestellt hatte. Wehmütig bilanzierte Kusma in der Fremde sein erfolgloses Leben: „Das ist eine russische Eigenheit! Man sät Erbsen und Disteln zu gleichen Teilen“.  

Eine Dichotomie, die den harschen Widerstreit in der neueren russischen Geschichte andeutet. Einer Auflehnung gegen widrige Lebensumstände folgte immer die Festigung unkontrollierter Machtverhältnisse. Bunins Erzählungen inszenieren keine friedlichen ländlichen Motive. Ihre innere Dynamik ist von einem fast schon selbstverständlichen Nebeneinander von Leben und Tod, Freude und Elend durchdrungen.  

Gegen Ende der Erzählung „Das Dorf“ kommt es zu einer Heimkehr Kusmas, die entgegen der idyllischen Tradition keine wirkliche Heilung darstellt. Die Versöhnung der ungleichen Brüder ist vielmehr dem Eingeständnis geschuldet, daß das Leben sinnlos vertan ist, zumal es auch keine Nachkommen gibt. So klingt diese Erzählung in einer absurden Hochzeit aus, von der alle wissen, daß sie zu nichts Gutem führen wird.  

Eindrucksvoll charakterisiert Bunin in diesen Erzählungen, die ihm seinerzeit die Anerkennung auch als Epiker eingebracht hatten, dörfliche Figuren und Schauplätze. Die Meisterschaft im Gebrauch einer kraftvollen Sprache findet sich bei Bunin auch in der intensiven Geruchswelt: „Der erregende Duft der Straße – nach Staub und Teer ... Der Duft von Lebkuchen mit Pfefferminzgeschmack und der betäubende Gestank der Katzenfelle, der schmutzigen Schafwolle, der mit Fischtran eingeriebene Stiefel ...“. Bunin versteht es, eine atmosphärische Dichte zu erzeugen.

In der Erzählung „Suchodol“ wird das Leben von Natalja, einer ehemaligen Leibeigenen erzählt. Geschickt mit versetzter Perspektivik wird ein letztlich trostloses Leben im entlegenen Dorf Suchodol wiedererweckt und formiert sich vor den Augen des Lesers.  

Nataljas Leben war Opfer eines unhinterfragten Geflechtes von irrationaler Emotionalität und überkommenen Traditionen geworden. Sie verbrachte ein hartes und unbarmherziges Leben und blieb dennoch Suchodol lebenslang verbunden. Der Erzähler mischt sich hier mit eigenen Erinnerungen ein, schließlich hatte er Natalja noch befragen können. Bereits als Kind empfand er eine unbestimmbare Sehnsucht, als er die Gegend durchstreifte. Der verwilderte Garten blieb mit seinen Geheimnissen unvergessen „und in der Stille hörte man nur das gleichmäßige, wie stetiger leichter Regen rieselnde Geplapper des silbrigen Pappellaubs“.

Es ist dem Dörlemann Verlag zu danken, daß er sich der Bergung von Bunins Büchern angenommen hat. Von den veranschlagten Ausgaben dieser Bunin-Edition sind bislang fünf überzeugende Bände erschienen. In seinem Nachwort macht der Konstanzer Slavist und Herausgeber Thomas Grob auf die Tatsache aufmerksam, daß diese Erzählungen in deutscher Sprache erstmals in ungekürzter Form vorliegen. Bunin selbst hatte in späteren Jahren umfangreiche Kürzungen vorgenommen. Offenbar wollte er dem Vorwurf entgehen, daß seine drastischen Schilderungen dörflichen Lebens der späteren Revolution zumal stimmungsmäßig Vorschub geleistet habe.

Bemerkenswert ist neben der vorzüglichen Übersetzung auch die Aufmachung dieser Bändchen, die allesamt mit einem Porträtfoto sowie einem sorgfältigen Anmerkungsapparat versehen sind.


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