Von Andreas Heimann
BERLIN (BLK) – Paula Modersohn-Beckers erste Ausstellung wurde ein Fiasko. Danach zeigte sie die meisten ihrer Bilder niemandem mehr. Dabei war sie unglaublich produktiv und fand ihre ganz eigene Bildsprache, die nichts mehr mit dem betulichen Duktus der anderen Worpsweder Maler zu tun hatte. Die Künstlerin brach auf in die Moderne, und keiner hat es gemerkt. Vor ungefähr 100 Jahren, am 20. November 1907, ist sie gestorben. Kerstin Decker zeichnet ihr Leben nun in einer neuen, quellenreichen Biografie nach. Lesenswert ist sie nicht zuletzt, weil sie ausführlich ein neues Licht auf das Verhältnis zwischen Modersohn-Becker und dem Dichter Rainer Maria Rilke wirft.
Malen wollte die 1876 in Dresden geborene Paula schon immer: Bereits als Teenagerin nahm sie Unterricht. Für sie war das mehr als nur ein Zeitvertreib für Bürgerstöchter. Dabei galten Küche, Kirche, Kinder noch als die Sphäre des Weiblichen, Kunst definitiv nicht. Umso erstaunlicher erscheint im Rückblick die Entschlossenheit der Malerin. An vielem hat sie immer wieder gezweifelt, aber nicht daran, dass Frauen zur Kunst genauso fähig sind und dass sie selbst malen möchte und nichts anderes.
In der Künstlerkolonie Worpswede lernte Paula sowohl den Maler Otto Modersohn kennen, den sie bald heiratete, als auch Rilke. Kerstin Decker widmet der Beziehung zu dem damals noch kaum bekannten Dichter zu Recht große Aufmerksamkeit: Die Malerin und er blieben über Jahre im Kontakt, auch wenn es zwischendurch schwierige Phasen mit weitgehender Funkstille gab. Rilke spürte eine große Nähe zu der jungen Künstlerin. Viele seiner Gedichte sind an sie adressiert. Intensiv haben sie Briefe ausgetauscht, manchmal schrieb der eine dem anderem gleich, nachdem sie sich getroffen hatten.
Kerstin Decker interpretiert das nicht nur als persönliche Sympathie: Paula und Rainer Maria verband vor allem die Kunst. Avantgarde ist „eine reine Nervenfrage“, formuliert es die Biografin: „angeschlossen zu sein an das Nervensystem einer neuen Generation“. Das traf auf beide zu. Und beide waren damit in ihrer Umgebung allein. Umso wichtiger war es, dass sie sich gegenseitig bestärkten. Auch in Paris, wohin es die Malerin nach 1900 immer wieder für Wochen oder Monate zog, trafen sie sich. Rilke stellte den Kontakt zu Rodin her. Und beide begeisterten sich für Cézanne, der Paula ebenso inspirierte wie die Fauves oder Gauguin.
Lange hat Paula 1906 gezweifelt, ob sie aus Paris zu ihrem Mann zurück nach Worpswede gehen soll. Die Entscheidung fiel von einem Tag auf den anderen. Im November 1907 kam ihre Tochter zur Welt. Nur drei Wochen später starb die Künstlerin an einer Embolie, erst 31 Jahre alt. „Wie schade“ waren ihre letzten Worte. Rainer Maria Rilke schrieb das „Requiem für eine Freundin“, ein ausuferndes Gedicht, mit dem er auf seine Weise auf den Verlust reagierte. Früher als die meisten anderen hatte er verstanden, wie sehr die Künstlerin ihrer Zeit voraus war.
Literaturangaben:
DECKER, KERSTIN: Paula Modersohn-Becker. Eine Biografie. Propyläen, Berlin 2007. 287 S., 19,90 €.
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