Von Petra Albers
„Schreiben hat mir in diesen Jahren die Möglichkeit gegeben zu existieren.“ Mit diesem Satz beginnt Roberto Savianos persönliches Vorwort zu seiner Text-Sammlung „Die Schönheit und die Hölle“. Und mit diesem Satz fasst der italienische Autor das zusammen, was seit geraumer Zeit sein Leben bestimmt - ein Leben im Untergrund, immer auf der Flucht vor der Mafia.
Seit Erscheinen seines Bestsellers „Gomorrha“ 2006 in Italien, in dem er die Machenschaften der Camorra anprangert, gibt es für den jungen Mann keinen Alltag mehr. Das Werk wurde in ganz Europa ein durchschlagender Erfolg, Saviano mit Preisen überhäuft, der Umgang mit dem Thema Mafia auch in Italien neu diskutiert.
Doch auf der anderen Seite stehen die persönlichen Folgen für den Schriftsteller: Er wurde mit dem Tode bedroht, steht unter Polizeischutz, musste den Kontakt zu seiner Vergangenheit abbrechen. Davon und von seinen Gedanken und Gefühlen erzählt er in dem mehrseitigen Vorwort und im ersten Kapitel „Brief an mein Land“ - deshalb sind die ersten 40 Seiten auch der interessanteste Teil des Buches.
„Ich habe in einem Dutzend verschiedener Wohnungen geschrieben, in keiner war ich länger als ein paar Monate“, berichtet er da. Oft muss er in Hotels oder Carabinieri-Kasernen übernachten, keinen Schritt darf er ohne seine Bewacher tun. Traurig und bedrückend klingen seine Schilderungen. „Ich denke daran, dass ich nie mehr einen normalen Geburtstag in meiner Heimat feiern kann, dass ich sie nie mehr besuchen kann.“ Trotzdem gibt er sich kämpferisch: „Wenn jemand darauf gehofft hat, ich würde unter schwierigsten Lebensumständen meine Worte verstecken, hat er sich getäuscht (...) Schreiben muss ich. Ich muss und ich will weitermachen.“
Doch in Savianos Worten schwingt eine gewisse Verbitterung mit - darüber, dass er in den vergangenen Jahren bei allem Lob auch viel verletzende Kritik erfahren habe und darüber, dass sich seiner Ansicht nach zu wenige Leute gegen die Mafia zur Wehr setzen. „Ich kann einfach nicht glauben, dass nur wenige außergewöhnliche Menschen Widerstand leisten.“ Dabei klingt es schon fast ein wenig arrogant und geradezu anklagend, wenn er - an seine Landsleute gerichtet - schreibt: „Seid ihr wirklich sicher, (...)dass es reicht, wenn ihr eure Abende damit verbringt zu flirten, zu lachen, zu streiten, euch über den Gestank der brennenden Abfälle aufzuregen und ein bisschen zu plaudern?“
Dass viele Menschen sich aus Angst nicht widersetzen, dafür hat Saviano offenbar nur wenig Verständnis: „Die Angst. Das größte Alibi. Deshalb fühlen sich alle im Recht, denn im Namen der Angst muss man die Familie schützen, seine Lieben, das eigene unbescholtene Leben und das unbestreitbare Recht, sich dieses Leben nicht kaputt machen zu lassen“, schreibt er. „Dabei wäre es nicht schwer, keine Angst mehr zu haben. Es würde genügen zu handeln, aber nicht allein.“ Das schlimmste sei die Resignation, das Hinnehmen scheinbar nicht zu ändernder Zustände. Er selbst fürchte übrigens nicht um sein Leben, betont Saviano: „Ich hatte und habe viele Ängste, aber nie hatte ich Angst zu sterben.“
Die Texte in „Die Schönheit und die Hölle“ sind zuvor größtenteils in italienischen Zeitungen erschienen. Viele der Artikel handeln von Menschen, die gegen irgendetwas Widerstand geleistet haben: Von der 2008 gestorbenen südafrikanischen Sängerin Miriam Makeba, die mit ihren Liedern gegen Unrecht und Rassentrennung kämpfte; von der ermordeten russischen Journalistin Anna Politkowskaja; aber auch vom argentinischen Fußballer Lionel Messi, der trotz einer Wachstumsstörung zum Weltstar wurde. In anderen Essays erzählt Saviano zum Beispiel von den Machenschaften der Bau-Mafia in der vom Erdbeben zerstörten Stadt L'Aquila oder von seinen Eindrücken beim Filmfestival in Cannes.
Literaturangabe:
Roberto Saviano: Die Schönheit und die Hölle, Suhrkamp Verlag, Berlin, 301 S., 19,90 Euro.