LEIPZIG (BLK) - Doppelte Freude für die Leipziger Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin Else Buschheuer: Die 43-Jährige hat ein neues Buch veröffentlicht - und fast zur gleichen Zeit erfährt sie, dass ihr autobiografischer Roman „Masserberg“ (2001) für die ARD verfilmt wird. In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur dpa erklärt Buschheuer, warum sie in dem Buch „keine gewalt!“ ihre Internet-Tagebücher von 2007 bis zum Neujahrstag 2009 noch einmal auf Papier veröffentlicht. Außerdem berichtet sie über die Filmpläne. (dpa/jud)
Wissen sie schon, welche Schauspieler mitwirken werden?
Buschheuer: „Also zunächst einmal, das ist wahnsinnig aufregend, ich hab gerade erst erfahren, dass es jetzt losgeht und ‚Masserberg’ für das Erste Programm verfilmt wird. Ende April sollen die Dreharbeiten losgehen. Stellen Sie sich vor, Sie denken sich Figuren aus, geben jeder was von sich selbst mit, und dann kommen richtige Schauspieler aus Fleisch und Blut und spielen diese ausgedachten Figuren! Ein Wahnsinnsgefühl! Anna Fischer spielt die Hauptfigur, also irgendwie auch das junge Mädchen, das ich damals war. Mit dabei sind auch Jürgen Heinrich, den ich seit der Kindheit vom Bildschirm kenne, und auch Monica Bleibtreu ist dabei, eine der besten Charakterdarstellerinnen, die wir haben.“
Welche Unterschiede gibt es zwischen Ihren Tagebüchern und den Romanen wie „Venus“ von 2005 und „Der Koffer“ von 2006?
Buschheuer: „In meinen Roman gehe ich viel weiter als in den Tagebüchern. Im Schutz der Fiktion kann ich Schmerzen, Trauer, Verliebungen sehr genau beschreiben, ohne mich splitternackt zu fühlen. ‚Masserberg’, mein zweiter Roman, ist in diesem Sinne mein autobiographischstes Buch. Ich habe meine Krankheit, meine Liebesgeschichte und mein Bild der DDR dort beschrieben. Ich hab das aber in Interviews immer runtergespielt. Zum Selbstschutz.“
Zurück zu den Tagebüchern. Sie füttern ja fast täglich das Internet mit ihrer Lebensgeschichte. Warum haben Sie es jetzt drucken lassen?
Buschheuer: „Ich liebe das Internet und kann mir kein Leben ohne vorstellen, aber ein Buch ist ein Buch. Wenn man ein Internet-Tagebuch wie meines, das seit neun Jahren mit mir reist und wächst und scheitert, wenn man so was filetiert und nur die besten Happen übrig lässt, dann weist die Essenz über Tagesaktualität und Alltagsbeschreibung hinaus. Wer mich auf meiner Suche nach Heimat, nach Einzigartigkeit, nach dem Besonderen im Alltäglichen, nach dem, was ich ‚Extrawurscht’ nenne, begleiten will, der soll es nicht nur im Internet lesen können.“
Was fasziniert Sie an einem solchen öffentlichen Leben?
Buschheuer: „Ich lebe ja nicht in einem Container wie die Menschen bei ‚Big Brother’, sondern ich kann das beleuchten, was ich wichtig finde. Ich bin eine gläserne Frau mit blinden Flecken. Und diese blinden Flecken sind verdammt wichtig, also Bereiche, die ich ausspare.“
Welche blinden Flecken sind das - was verschweigen Sie?
Buschheuer: „Liebesleben, Familie, Mutterschaft, aber auch Events, auf die ich beruflich gehen muss. Das ist für mein Tagebuch nicht relevant.“
Haben Sie gelegentlich etwas nachträglich verändert, korrigiert?
Buschheuer: „Absolut! Ich nehme manchmal ganze Beiträge wieder raus, korrigiere Fehler auch lang im Nachhinein oder, das kommt auch vor, komplettiere mit Notizen, die ich hatte, so dass im Buch auch einige neue Beiträge sind, die es damals nicht ins Tagebuch geschafft haben. Das ist mein Schloss, und ich bin die Königin!“
Welches ist ihre Lieblingsstelle in dem Buch?
Buschheuer: „Seite 98 vom 18. Oktober 2007, 19.32 Uhr in Leipzig: ‚Heute Mittag an der Straßenbahnhaltestelle hätte ich nur zu gern den Hut abgenommen, den Schädel aufgeklappt und mein blankes Hirn in die Sonne gehalten. Rare? Medium? Well done?’“
Das Buch heißt „keine gewalt! tagebücher“, auf dem Cover ist ein Broiler (Grillhähnchen) zu sehen. Was drückt dieser Titel aus?
Buschheuer: „Am Anfang war der Broiler. Ich weiß ja, was der Broiler für ein Hühnerleben hinter sich hat. ‚keine gewalt’ ist eine Überschrift im Buch. Im Beitrag geht es um die Menschenmauer, die man vor sich hat, wenn man aus einer Leipziger Straßenbahn aussteigt. In der Kombination ergaben Broiler und der Titel eine neue Lesart der friedlichen Revolution. Wir feiern ja 20 Jahre Mauerfall. Früher hieß es bei uns ‚Schwerter zu Pflugscharen’. Und ich skandiere nun ‚Broiler zu Mohrrüben’. Oder so.“
Interview: Rolf Westermann
Literaturangaben:
BUSCHHEUER, ELSE: keine gewalt! tagebücher. Salier Verlag, Leipzig / Hildburghausen 2009. 283 S., 14,90 €.
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