Christian Lorenz Müller: Wilde Jagd. Roman. Hoffmann und Campe, Hamburg 2010. 256 S., 20 €. ISBN 978-3-455-40289-6
Von Angelo Algieri
„Wilde Jagd“ nennt man einen Geisterumzug, der in den bayerischen und österreichischen Alpen vor oder um Weihnachten stattfindet. Es ist ein Lauf mit großen und schrecklich aussehenden Holzmasken – dem Brauchtum zufolge dient er der Vertreibung von Unglück.
In Christian Lorenz Müllers Romandebüt „Wilde Jagd“ ist die Hauptfigur, Landwirt Emmeran, schon als kleiner Junge von den Masken fasziniert, so dass er sie Jahre später selber schnitzt. Die geschnitzten Masken führt er seiner Familie am 2. oder 3. Advent mit Lichteffekten vor. Emmeran lebt mit seinem Bruder, seiner Schwägerin und deren Kindern auf einem Hof im Berchtesgadener Land.
Gleich zu Beginn des Romans wird der 16-jährige Neffe Johann von der Kettensäge Emmerans am Kopf getroffen. – Bange Tage folgen: Wird Johann überleben? Und wenn ja, wird er behindert sein? Emmeran macht sich Vorwürfe, den Jungen überhaupt zum Holzhacken mitgenommen zu haben.
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Je mehr man sich in die Geschichte des Hofes und der Figuren einliest, desto mehr wird sichtbar, dass hier etwas im Argen liegt. Es besteht ein Familiengeheimnis, das am Ende auf tragische Weise gelöst wird.
Der 38-jährige Autor Müller zeigt mit seinem Debüt, dass einen die Vergangenheit wie in einer Wilden Jagd einholen kann – vergleichbar mit einer plötzlich auftauchenden fiesen Fratze. Fern von Heimatidylle ist dem Autor ein wunderbar schonungsloser und spannungsreicher Roman gelungen.