Von Britta Gürke
HAMBURG/LONDON (BLK) – Für Harry-Potter-Fans ist es, als ob sich ein kleines Fenster öffnet. Zu entdecken: Neue magische Einzelheiten aus der Welt des Zauberlehrlings. Zwar ist die siebenbändige Saga um Harry unwiderruflich beendet, seine Schöpferin Joanne K. Rowling aber hatte Mitleid mit ihren Fans und lieferte neuen Lesestoff. „Die Märchen von Beedle dem Barden“, die an diesem Donnerstag (4. Dezember) in Großbritannien, Deutschland und zahlreichen Ländern weltweit gleichzeitig erscheinen, sind auf den ersten Blick lediglich fünf Geschichten ohne Harry-Bezug. Für echte Fans aber geben sie den Blick frei auf neue und heiß ersehnte Bruchstücke aus der gigantischen Fantasie-Welt, die hinter den Potter-Büchern steckt.
„Rowling hat sich eine ganze Welt ausgedacht, aus der die Harry-Potter-Bücher nur ein Ausschnitt sind“, sagt Katrin Hogrebe vom Hamburger Carlsen Verlag, bei dem die deutsche Übersetzung erscheint. „Sie ist zwar verschwiegen und gibt nur ganz wenigen Leuten Einblick in ihre Zettelkästen oder Notizbücher. Sicher ist aber, dass sie noch ganz viel Material hat.“
Wann genau die fünf Märchen von Beedle entstanden sind, ist zwar nicht klar. Den Lesern ist eine davon aber schon aus dem siebten und letzten Potter-Band bekannt. Da bekommt Harrys Freundin Hermine vom Zauber-Direktor Dumbledore ein Exemplar des Märchenbuchs geschenkt. Im „Märchen von den drei Brüdern“ entdeckt sie einen entscheidenden Hinweis, wie der oberste Fiesling Voldemort besiegt werden kann.
„Rowlings Welt hat ihre ganz eigene Geschichte, ihre eigenen Mythen, Grenzen und Gesetze“, sagt Hogrebe. Schon 2001 hatte die Erfolgsautorin Hintergründe aus ihrem Gedankengerüst verraten und zwei Schulbücher veröffentlicht, die im Potter-Alltag ebenfalls als „Bücher im Buch“ eine Rolle gespielt hatten. Wie auch bei den jetzt erscheinenden Märchen gingen laut Carlsen schon damals sämtliche Erlöse an einen guten Zweck. Die Honorarerlöse aus dem neuen Beedle-Buch spendet Rowling komplett an die von ihr gegründete Hilfsorganisation „Children's High Level Group“, die sich für hilfsbedürftige Kinder vor allem in Osteuropa einsetzt.
Wie viele Millionen die mindestens 23 Übersetzungen des Märchenbuchs – unter anderem in Vietnam, Korea, China und Brasilien – einbringen werden, ist schwer zu schätzen. Im Gespräch sind bis zu fünf Millionen Euro. Sicher ist aber, dass der Barde bereits im Vorfeld der Veröffentlichung Rekorde gebrochen hat und Rowlings Hilfsorganisation einen Geldregen brachte.
Ursprünglich hatte Rowling nämlich nur sieben Bände der Märchen geschrieben und selbst illustriert. Sechs davon verschenkte sie an Menschen, die ihren Angaben nach eng mit den Potter-Büchern verknüpft sind. Das siebte der handgeschriebenen Bücher gab sie zur Auktion frei. Der Online-Einzelhändler Amazon ersteigerte das Exemplar im Dezember 2007 bei Sotheby's in London – und zahlte dafür umgerechnet 2,75 Millionen Euro. Nach Angaben von Sotheby’s war dies das höchste jemals für ein zeitgenössisches Manuskript erzielte Gebot bei einer Auktion. Rowling gab das Geld an ihre Hilfsorganisation weiter.
Auf der Amazon-Internetseite gibt es bereits seit Monaten Inhaltsangaben der Märchen zu lesen – witzige, teilweise unheimliche Geschichten voller typischer Märchen-Elemente. Fotos zeigen das ersteigerte Originalexemplar, das geradewegs aus der Hogwarts-Zauberschulen-Bibliothek stammen könnte: Dicker Ledereinband, Metallbeschläge, gruselige Illustrationen. Für Sammler gibt es eine limitierte Sonderedition, die dem Original nachempfunden ist. Für weniger betuchte Leser wurden in der Standardausgabe die Illustrationen übernommen. Statt Rowlings Handschrift allerdings gibt es Druckbuchstaben.
Trotz des seit Monaten bekannten Inhaltes gilt für die Veröffentlichung des Beedle-Buches fast dieselbe Geheimstufe wie für die Potter-Bände. Vor dem Donnerstag (4. Dezember) darf kein Buch herauskommen, wer vorbestellt hat, soll am Erscheinungstag garantiert seine Lieferung bekommen. Dass die Geheimniskrämerei selbst bei dem Märchenbuch eingehalten wird, liegt nach Angaben von Carlsen an Rowling selbst. „Die Autorin möchte, dass die Spannung für alle diejenigen, die selber lesen möchten, bestehen bleibt“, erläutert Hogrebe. Ob Rowling in Zukunft noch mehr Einblicke in ihre magische Welt gewähren wird, weiß allerdings niemand. Hogrebe: „Da kann man nur hoffen.“