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Rumba, Rum und korrupte Geschäfte

Leonardo Paduras neuer Krimi ist eine Liebeserklärung an Havanna

© Die Berliner Literaturkritik, 23.10.08

 

„Der Nebel von gestern“: Hinter ihm verbergen sich die Geheimnisse der Stadt Havanna, die einst glamouröser Mittelpunkt für Abenteurer, Filmschauspieler und für die High Society ganzer Kontinente bildete. Dort traf sich tout le monde zum Stelldichein, auch die Bosse der südamerikanischen Mafia. Seit Fidel Castros Revolution haben sich die Zeiten geändert. Nicht der gelobte Sozialismus hat Einzug gehalten, sondern Armut, Arbeitslosigkeit, Verrohung der Sitten, und ein allgemeiner Verfall hat sich breitgemacht.

El Conde, ein ehemaliger Polizist, hat seinen Dienst quittiert und sich als Antiquar etabliert. Ihm haben es Bücher angetan, und eines Tages stößt er auf eine Goldader. Ehemals reiche Bürger haben ihr Land längst verlassen und ihre Güter armen Bediensteten oder Verwandten überlassen. In einem dieser Häuser der ehemals Reichen entdeckt Mario Conde eine wunderbare Bibliothek. Der Geruch und die Ausstattung des Hauses, in dem der Schatz eines Tages vor seinen Augen auftaucht, sind schon das reine Wunder für ihn. Um wie viel mehr hüpft sein Herz vor Freude, als er die herrlichen Bücher entdeckt. Mit wie viel Liebe und Verstehen begutachtet er sie! Zu einem fairen Preis wird er sie den armen Besitzern, die wie alle anderen Hunger und Not leiden, nach und nach abkaufen. Überall hat er Freunde, und so fällt es ihm nicht schwer, Käufer für diese prächtigen bibliophilen Ausgaben zu finden.

Ein Buch aber behält er, ein Kochbuch aus besseren Zeiten. Darin entdeckt er zu seiner Überraschung einen besonderen Schatz: das Blatt einer Zeitung aus dem Jahr 1960, geschmückt mit dem Konterfei von Violeta del Río, der geheimnisvollen und legendären Bolerosängerin und Königin der Nacht jener gefeierten Jahre. Die wunderschöne Frau weckt Fantasien und Erinnerungen, die El Conde nicht mehr loslassen.

Er begibt sich auf die Suche nach ihrer Geschichte, und diese entwickelt sich zu einem spannenden Kriminalfall. Er ist der Aufhänger für eine Liebeserklärung an Havanna, der einstmals viel geliebten Stadt. Die Fünfzigerjahre zeigen sie als eine Stadt der Freude, der Lebenslust, des Tanzes und der Gesänge. Schöner als in New York und Paris haben die Feiern und Nächte hier kein Ende. Rumba, Rum und Nachtbars bestimmen die nächtlichen Freuden, in denen berühmte Größen aus dem Showgeschäft ihre Auftritte haben. Mafiöse Strukturen unter Battista ebenso wie unter Fidel Castro geben Einblicke in die Geschäfte und die Korruption, die hier wie dort geherrscht haben.

Leonardo Padura gibt der Geschichte einen bilderreichen und vielfarbigen Anstrich, sodass man ganz in die versunkene Welt vor der Revolution und das heruntergekommene Havanna von heute eintaucht. Von der Kriminalhandlung ausgehend wird der Leser in ein Netz von Geheimnissen um die Protagonisten hineingezogen. Die Spannung steigt, die Verwirrung nimmt zu, und man bekommt tiefe Einblicke in das kubanische Leben von gestern und heute. Die Verbindung zwischen den Geschichten bilden die Bücher und die kubanische Lebensart.

Ein Wunderwerk ist dem angesehenen und preisgekrönten Autor mit der atmosphärischen Darstellung des Lebensgefühls auf dieser herrlichen Karibikinsel gelungen.

Von Claudine Borries

Literaturangaben:
PADURA, LEONARDO: Der Nebel von gestern. Roman. Aus dem kubanischen Spanisch von Hans-Jochim Hartstein. Unionsverlag, Zürich 2008. 368 S., 19,90 €.

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