Journalistin als Medienopfer: „Hundert Frauen“
Martina Zöllner ist Redaktionsleiterin beim Südwestrundfunk und hat nun nach ihrem Erfolgserstling „Bleibtreu“,in dem sie ihren Journalistenalltag romanhaft verarbeitet, ein zweites Buch vorgelegt. „Hundert Frauen“ hat die erfolgreiche Redakteurin einer Lokalzeitung, Roberta Ostertag, zu Themen befragt, über die sie sonst nicht sprechen wollen, und deren Antworten zu einem Buch zusammengefasst. Für Roberta ist diese schriftstellerische Tätigkeit ein Ausbruch aus ihrer journalistischen Routine, mit der sie ihren eigenen Stil pflegen kann. Leider hat das Buch unerwartete Konsequenzen: Ein Boulevardblatt unterstellt Roberta, sie habe sich mit einer der Frauen selbst porträtiert, die in ihrem Geständnis ein Verhältnis zu einem Staatssekretär im Bundesbildungsministerium offenbarte. Um dieser Unterstellung entgegenzutreten, trifft sich die Journalistin mit dem Politiker, dem die Behauptung ebenso unangenehm ist wie ihr und mit dem sie sich eine gemeinsame Strategie gegen die Yellow Press überlegen will. Klug, pointiert und selbstironisch schreibt Zöllner über die harte Medienwelt, über Frauen und ihre Ängste und den Preis, den eine erfolgreiche Karrierefrau für den Erfolg zahlen muss.
Ein Ex - Cop und seine Vergangenheit: Teil 1 der „Turner-Trilogie“
Wer sich von James Sallis Buch einen klassischen Krimi erhofft, wird enttäuscht werden. Der Plot ist eher Nebensache. In «Dunkle Schuld» steht der Ex - Cop, Psychotherapeut und Ex-Sträfling Turner im Mittelpunkt. Turner, Typ einsamer Wolf, hat sich in das Provinzkaff Cypress Grove (so der amerikanische Originaltitel) zurückgezogen, um dort über sein Leben zu reflektieren. Doch daraus wird nichts, als ein Mann gepfählt und wie eine Vogelscheuche gekreuzigt aufgefunden wird. Ein Fall, der den ortsansässigen Sheriff völlig überfordert, weshalb er den widerwilligen Turner um Hilfe bittet. Diesem gelingt es, den bizarren Fall zu klären. Sallis geht es aber mehr um Turners Vorleben, das nach und nach in Rückblenden aufgezeigt wird und diesen melancholischen Einzelgänger in seiner ganzen Widersprüchlichkeit und Gebrochenheit als „Lonesome Rider““, knallharten Cop und sensiblen Psychotherapeuten schildert.
Tibeter erzählen vom „Flügelschlag des Schmetterlings“
Wer an Tibet denkt und seinen Kampf um Unabhängigkeit und Autonomie von China, denkt sofort an den Dalai Lama. Es ist das Verdienst der in Zürich lebenden Lektorin Alice Grünfelder, auch einmal andere Stimmen aus Tibet zu Wort kommen zu lassen. Sie hat in ihrem Buch „Flügelschlag des Schmetterlings“ Erzählungen von zwölf tibetischen Autoren und Autorinnen gesammelt, die ein vielfältiges Bild dieses zerrissenen Landes zeichnen. Die Verfasser leben teils im Land, teils im Exil. So schildert der Exilant Palden Gyal die Ungerechtigkeiten, die während der Kulturrevolution seinem Heimatland widerfahren waren. Der Autor Alai hat einen chinesischen Großvater und einen tibetischen Vater, von ihm stammt die Erzählung „Blutsbande“. Es sind berührende Texte von Tibetern auf dem Lande, in denen man sehr genau zwischen den Zeilen lesen muss, um deren subtile, für sie gefährliche Kritik an China herauslesen zu können. Anrührend schildern die im Exil Lebenden, wie sie unter diesem leiden und sich nach einer Annäherung an ihr Heimatland sehnen.
Literaturkritik:
ZÖLLNER, MARTINA: Hundert Frauen. DuMont Buchverlag, Köln 2009. 400 S., Euro 19,95 €.
SALLIS, JAMES: Dunkle Schuld. Heyne Verlag, München 2009. 304 S., 8,95 €.
GRÜNFELDER, ALICE: Flügelschlag des Schmetterlings. Unionsverlag, Zürich 2009. 252 S., 16,90 €.
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