Über die Macht der Liebe: Anne Michaels neuer Roman
Zehn Jahre nach Erscheinen ihres erfolgreichen Erstlings „Fluchtstücke“ ist auch im neuen Buch der kanadischen Autorin Anne Michaels die Liebe das zentrale Thema: Jean und Avery finden sich in dem Roman „Wintergewölbe“ gerade wegen ihrer Gegensätzlichkeit. Sie liebt und schützt die Natur und betrauert die verödete Landschaft rund um den St.-Lorenz-Strom nach dessen Begradigung. Er ist Ingenieur und gerade für solche Eingriffe verantwortlich. Die beiden werden ein Paar, gehen zusammen nach Ägypten. Dort soll Avery helfen, den Abu Simbel Tempel zu versetzen, da an dessen Standort ein Stausee entstehen soll. Beide wissen, dass dieses Unternehmen nicht zu verhindern sein wird und sie leiden daran. Für Michaels ist die Liebe die einzig rettende Macht in einer immer schrecklicher werdenden Welt. Sie findet Metaphern für eigentlich Unaussprechliches, holt es damit aus der Abstraktion und macht es greifbarer. Wie schon in ihrem ersten Buch ist ihre Sprache voller Poesie.
Geschichte zweier Außenseiter: „Eine zufällige Begegnung“
Elsie ist Putzfrau, liebt schöne Gärten und ist abstoßend hässlich, daher Außenseiterin und einsam. Bis sie Stanley trifft: einen Ex-Häftling und Outcast wie sie. „Eine zufällige Begegnung“ wandelt sich in eine wunderbare Freundschaft, sie ziehen zusammen in ein Cottage und entdecken in ihrer Gemeinschaft, dass sie beide in dem gestärkt werden, was in ihnen steckt. Ihnen gelingt — jedem für sich und doch nur gemeinsam-, sich neu zu erfinden. Gegenüber seinem 900 Seiten starken Erstling „Ein unauffälliger Mann“, an dem Charles Chadwick über 30 Jahre schrieb, kommt sein neues mit seinen 200 Seiten eher bescheiden daher. Und doch ist auch dies ein großes Buch geworden. Chadwicks klare, einfache Sprache, die Empathie für seine Protagonisten auszudrücken vermag, ist bestechend, vermeidet Rührseligkeit und zeigt Respekt. Da wird einfach beschrieben und begleitet, Außenseitertum wird nicht verklärt, aber auch nicht mitleidig belächelt.
„Föhnlage“: Pointenreicher Alpenkrimi des Kabarettisten Maurer
Der Autor Jörg Maurer ist Kabarettist, das merkt man seinem pointenreichen, von abstrusen Gestalten und Situationen wimmelnden Krimi „Föhnlage“ an. Seine Akteure sind allesamt Originale, ihr Dialekt teilweise gewöhnungsbedürftig, der zu klärende Fall spektakulär: Bei einem Konzert in einem idyllischen bayerischen Kurort fällt ein Mann von der Decke ins Publikum und reißt einen armen Konzertbesucher, auf den er stürzt, mit in den Tod. Kommissar Jennerwein steht vor einer schier unlösbaren Aufgabe, zumal ihm wirre Zeugenaussagen, zwei Bestatter mit einer dunklen Vergangenheit, unerwartete Wendungen und die Schrulligkeiten der Bewohner der bajuwarischen Provinz die Lösung des Falles zusätzlich erschweren. Leser werden diesen Krimi mit großem Vergnügen verschlingen und ihn zuweilen zum Brüllen komisch finden.
Das Rätsel um „Darling Jim“: Irlandthriller
Den Thriller „Darling Jim“ könnte Stephen King geschrieben haben, er stammt aber von dem in Dänemark geborenen und in den USA lebenden Christian Mork. Die düstere Geschichte um drei ermordete Frauen, deren Tod bislang ungeklärt blieb, spielt in Irland. Als die Tagebücher der Ermordeten auftauchen, wird auch die Rolle des geheimnisvollen Darlings Jim offensichtlich, der eines Tages in dem irischen Dorf aufgetaucht war, alle mit seinen Geschichten bezaubert und zum Gruseln gebracht hatte, bis er nach den Morden spurlos verschwand. Wie sich das Geschehen anhand dieser Aufzeichnungen, die in dem Buch nach und nach präsentiert werden und aus denen gleichsam die Toten zum Leser sprechen, erschließt, das ist schön schaurig und meisterlich geschrieben. Den Fans von Hard-Core- Thrillern mag ein bisschen zuviel Mystik mitschwingen, aber dies ist der Liebe des Autors zu Irland und seinen Mythen geschuldet.
Literaturangaben:
MICHAELS, ANNE: Wintergewölbe. Übersetzt aus dem Englischen von Gerhard Falkner und Nora Matocza. Berlin Verlag, Berlin 2009. 350 S., 22,00 €.
CHADWICK, CHARLES: Eine zufällige Begegnung. Übersetzt aus dem Englischen von Klaus Berr. Luchterhand Verlag, München 2009. 207 S., 17,95 €.
MAURER, JÖRG: Föhnlage. Fischer Verlag, Frankfurt 2009. 336 S., 8,95 €.
KING, STEPHEN: Darling Jim. Übersetzt aus dem Englischen von Violeta Topalova. Piper Verlag, München 2009. 336 S., 19,95 €.
Weblinks: