BERLIN (BLK) – 2005 ist „Nordest“ bereits in Italien erschienen. In Deutschland wird Massimo Carlottos Kriminalroman mit dem Titel „Wo die Zitronen blühen“ beim Tropen Verlag veröffentlicht, übersetzt von Judith Elze.
Klappentext: Im Nordosten Italiens werden die Kleinstädte von wenigen Industriellenclans dominiert. Francesco Visentin ist Spross einer wohlhabenden Anwaltsfamilie. Wenige Tage bevor er heiratet, wird seine Braut tot aufgefunden - brutal ermordet. Die Suche nach dem Mörder offenbart nach und nach die skrupellosen und mafiösen Praktiken der Geschäftswelt.
Was Massimo Carlotto erlebt hat, kann wohl kein Krimi schauderhafter beschreiben. 1976 wurde der Schriftsteller in einen Mordfall verwickelt, nachdem er die Studentin Margherita Magello leblos in ihrer Wohnung in Padua aufgefunden hatte. Es folgten Jahre der Flucht und schließlich ein Aufenthalt im Gefängnis. Mit seiner Entlassung begann für Massimo Carlotto das Leben eines Schriftstellers. Der 1956 geborene italienische Autor hat zunächst eine Biografie namens „Il fuggiasco“ (dt. „Der Flüchtling“) veröffentlicht und gewann schließlich mit „Il maestro di nodi“ den Premio Giorgio Scerbanenco. Massimo Carlotto lebt heute auf Sardinien. (ros/kum)
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Ich war schon eine ganze Weile wach, aber die Übelkeit hinderte mich daran aufzustehen. Ich hatte zu viel getrunken. Gin Tonic und Champagner. Ich hatte noch das würzige Parfüm des Clubmädchens am Hals und in der Nase. Es würde ein harter Morgen werden. Zum Glück hatte ich nur ein paar Klienten in der Kanzlei und keine Gerichtstermine. Ich schaute zum x-ten Mal auf den digitalen Wecker. Ein bisschen Zeit blieb noch, um den Alkohol abzubauen. Dann einen Kaffee, eine heiße Dusche, und ich wäre bereit für einen weiteren Tag als junger Rechtsanwalt. Giovanna würde mich fragen, wie der Junggesellenabend gelaufen war, den meine Freunde in dem einzigen Nachtclub des Dorfes für mich organisiert hatten. In Wahrheit würde sie wissen wollen, ob ich mit einem der Mädchen des Diana im Bett gelandet war. Nein, war ich nicht. Das Fest war eine Katastrophe gewesen. Zumindest für mich. Davide und die anderen hatten sich wahrscheinlich amüsiert. Sie waren ziemlich überdreht. Und waren ein- und ausgegangen in der kleinen Kammer, wo immer einer der Rumänen das Koks bereithielt, und hatten mit den Clubmädchen herumgemacht. Die schönste, eine Südamerikanerin, ich glaube, sie hieß Alicia, hatten sie mir mit einer Geschenkschleife um die Brust in die Arme geschoben. „Sie ist zwar nicht so schön wie Giovanna“, hatte Davide betont. „Aber sie soll richtig gut im Bett sein“. Sie hatte sich wirklich Mühe gegeben, aber ich hatte Acht gegeben, den Punkt nicht zu überschreiten. Ich bin ein Visentin, und mein Vater hatte mich dar auf aufmerksam gemacht, dass wir gewisse Dinge nicht tun. „Zumindest nicht hier im Dorf“, hatte er lächelnd hinzugefügt. Und dann hatte ich verschiedene Leute wieder erkannt, vor allem Kleinindustrielle mit den Taschen voller Geld. Einige waren Klienten meines Vaters. Constantin Deaconescu, der Besitzer, ein anrüchig aussehender Rumäne, war gekommen, um mich zu meiner bevorstehenden Hochzeit zu beglückwünschen. Aller Augen waren auf mich gerichtet. Ich fühlte mich unwohl, der Ort gefiel mir nicht. Er war vulgär und unecht wie die Marke des Champagners, den uns die Kellner ständig nachschenkten. Als Alicia begann, mich weiter unten zu streicheln, als es meine gesellschaftliche Stellung erlaubte, und mir anvertraute, sie stehe mir die ganze Nacht zur Verfügung, betrachtete ich sie. Sie war schön und aufreizend, aber ich wäre in diesem Moment lieber mit Giovanna zusammen gewesen. Also ging ich mit der Entschuldigung, ich hätte zu viel getrunken, unter dem Hohngelächter meiner Freunde hinaus, um etwas Luft zu schnappen. Es musste gegen zwei Uhr morgens gewesen sein, die eisige Luft nahm mir den Atem. Da stieg aus einem Wagen der Allerletzte aus, den ich in dem Moment hätte sehen wollen: Filippo Calchi Renier. „Was willst du?“ Er zeigte auf den BMW Coupé. „Lass uns ein Stück fahren. Ich muss mit dir reden“. „Brauchst du einen Anwalt?“ Er schüttelte verdrossen den Kopf. Die Narbe auf seiner Wange war blau von der Kälte. „Wir müssen über Giovanna reden“. „Natürlich“, brummte ich, während ich auf das Auto zuging. Filippo und Giovanna waren ein paar Jahre zuvor zusammen gewesen. Dann hatte sie ihn verlassen, um sich mit mir zusammenzutun.
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Literaturangabe:
CARLOTTO, MASSIMO: Wo die Zitronen blühen. Tropen Verlag, Berlin 2009. 215 S., 18,90 €.
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