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Scarlett Johansson – Die kann wirklich was!

Chris Roberts’ Biografie „Scarlett Johansson“

© Die Berliner Literaturkritik, 09.01.08

 

Na, das wurde aber auch langsam Zeit: Kaum feiert die junge Dame ihren 23. Geburtstag (am 22. November 2007), erscheint auf dem deutschen Markt endlich die erste Scarlett-Johansson-Biografie. Irgendetwas muss wohl an ihr dran sein, mutmaßt auch Biograf Chris Roberts, der ihr im unverhohlen schwärmerischen Ton des ergebenen Fans zugetan ist.

Schließlich hat sie seit ihrem großen künstlerischen Durchbruch an der Seite von Bill Murray in Sofia Coppolas „Lost in Translation“ (2003) Filme im Akkord abgedreht (und es waren auch noch einige richtig gute darunter), dazu diverse lukrative Engagements mit der Werbeindustrie und die Dauerpräsenz in den Klatschspalten – keine Frage, das Phänomen Scarlett Johansson schaut man sich gern einmal genauer an!

Bereits die einleitenden, von großflächigen Star-Fotos flankierten Zeilen geben den Ton vor. Roberts richtet sich an den gewöhnlichen Fan und dessen antizipierte offenbare Erwartungshaltung, verzichtet somit auf eine filmwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Hollywood-Star-Kult und setzt stattdessen auf eine recht bodenständige, hübsch illustrierte Nacherzählung biografischer Anekdoten und filmischer Schlaglichter.

Dafür muss der Leser bereits in der Einleitung einige verblümte Phrasen hinnehmen. Scarlett sei, so wird behauptet, „auf dem besten Wege zur Unsterblichkeit, denn sie besitzt die zeitlose Ausstrahlung, die den Star von einer guten Schauspielerin unterscheidet“. Über ihren Flirt mit Justin Timberlake, der angeblich für das Ende der Liaison des Ex-N’SYNC-Barden mit Hollywood-Sirene Cameron Diaz und zugleich für deren Ablösung am Star-Himmel verantwortlich war, heißt es, Justin sei „des Weges gekommen...und hat das Zepter der Diaz-Generation entrissen, um es der Johansson-Generation zu übergeben“. Naja, ganz schön viel Pathos. Oder auch, im enthusiastischen Überschwang befeuerter Phantasie: „Sie ist ein fleischgewordenes Kunstwerk, das auf Zelluloid gebannt wurde.“

Man kann bei solcherlei Formulierungen noch so spöttisch tun, während der Blick abschweift und über verführerische Illustrationen einer strahlenden, sich ihrer Wirkung allzu bewussten jungen Frau streicht, im Grunde weiß man natürlich: Der Autor hat völlig recht. Scarlett Johansson ist ein Kunstwerk, sie hat diese Ausstrahlung, die sie von der großen Mehrheit aller anderen Schauspielerinnen ihrer Generation unterscheidet und die ganz einfach den Unterschied ausmacht.

Und tatsächlich, ihre Aura ist von einem altmodischen Glanz, sie erinnert an große weibliche Stars aus Hollywoods goldener Ära – nicht von ungefähr wusste die junge Scarlett bereits als Kind, was sie erreichen wollte, und hat sich ausgerechnet Hollywood-Diven wie Lucille Ball, Judy Garland oder Rosalind Russell zum Vorbild genommen – Eleganz, Klasse und auch eine Portion Unnahbarkeit. Aber abgesehen davon fragen sich Autor wie Leser: Wer ist diese Scarlett eigentlich?

Kein bloßes Sexsymbol, keine jener überdrehten, hoffnungslos überforderten Skandalnudeln á la Lindsay Lohan oder Britney Spears, die zugedröhnt von einem Rehab ins nächste wanken, macht uns das Buch schnell klar. Nein, Johansson ist eine eigenständige und selbstbewusste Frau, die mit ihrem Ruhm reflektiert umzugehen weiß – und sie hat auch unter künstlerischen Gesichtspunkten richtig was drauf.

Die knappen Ausführungen zu ihrer Kindheit stützen sich ausnahmslos auf Details, die Roberts aus verschiedenen bereits veröffentlichten Quellen zusammen getragen hat. Dass sie eine dänische Mutter und zugleich auch polnische Wurzeln hat, dass ihre Eltern atheistische Juden sind (das war mir neu), dass ihr Weg zur Schauspielerin früh vorgezeichnet war, quasi sogar – wenn man an Bestimmung glaubt – von ihrer Geburt an, denn die filmbegeisterten Eltern benannten sie tatsächlich nach Vivien Leighs Filmrolle aus „Vom Winde verweht“ (1939) und förderten zudem stets ihre kreative Entwicklung, die Mutter begeleitete sie zu diversen Castings und meldeten sie am Lee Strasberg Institut für Kinder in Manhattan an.

Ebenso erfahren wir, dass Scarlett noch zwei ältere Geschwister hat und einen Zwillingsbruder, dass unter ihren Vorfahren ein bekannter Schriftsteller ist (der Däne Eijner Johansson), dass sie sich im Präsidentenwahlkampf 2004 für Howard Dean und später für John Kerry stark machte (wie so viele ihrer Hollywood-Kollegen), und dass sie schon seit frühen Jahren eine sexy-verrauchte Stimme hat – aber letzteres liest man ohnehin in nahezu jedem Scarlett-Artikel.

Wer also auf Enthüllungen privater Skandale oder auf wirkliche Neuigkeiten setzt, wird von diesem Buch enttäuscht sein. Schade vielleicht, dass Chris Roberts offensichtlich keine Interviews mit Verwandten oder Bekannten aus dem Umfeld der Schauspielerin geführt hat. Seine Informationen bewegen sich auf dem etwas breitgetretenen Pfad bereits bekannter, für die Öffentlichkeit freigegebener biografischer Häppchen.

Die Frage, wer Scarlett Johansson wirklich ist, ist möglicherweise auch zweitrangig gegenüber der Frage, was ihre Leinwandpräsenz und ihre Rollenwahl über die Schauspielerin Johansson verraten. Also, lassen wir Scarlett ihre Privatsphäre und konzentrieren uns mit dem Autor auf ihr bisheriges Filmwerk. Da fällt uns zunächst ein Mangel auf: Es gibt keine Filmografie, keine übersichtliche Auflistung ihrer Filme und ihrer erworbenen Preise (und das sind für ihr zartes Alter schon einige). Roberts klappert stattdessen, brav aber akkurat, die diversen Rollen chronologisch nacheinander ab, gibt Informationen zu den Inhalten, hält sich aber mit einer eingehenden Analyse zurück.

Was er etwa über den starken Independentfilm „Ghost World“ aus dem Jahre 2000 zu sagen hat, liest sich folgendermaßen: „Der Film ist ganz anders als ,Der Pferdeflüsterer’ (einer der ersten Johansson-Filme) oder ,Wieder allein zu Haus’, denn es wird eine ganz andere Welt dargestellt.“ Ach nein! Und weiter: „Und auch Scarlett ist in einer anderen Welt.“ Wie bitte?

Über den Coen-Brüder-Film „The Man who wasn’t there“ aus dem Jahr 2001, in dem Scarlett eine kleine Nebenrolle als frühreife Verführerin spielt, behauptet Roberts, Billy Bob Thorntons Filmzeile „Meine Frau und ich hatten seit vielen Jahren keinen Geschlechtsverkehr mehr“, sei ein „Schlagwort unter Cineasten“ geworden – was einigermaßen rätselhaft bleibt, einmal abgesehen davon, dass es über den Film schon einiges mehr zu sagen gäbe.

Trotz diverser sprachlicher Ungelenktheiten und einem phasenweise umständlichen Stil, der ihm manche interessante Pointe völlig vermasselt, geht Chris Roberts durchaus kritisch mit Johanssons filmischem Gesamtwerk um. Künstlerische Flops wie „Die Insel“ (2005) oder „Die schwarze Dahlie“ (2006) werden nicht im Überschwang der allgemeinen Bewunderung schöngeredet, sondern als unbestreitbare Fehlgriffe von den bedeutenden, guten Filmen wie „Lost in Translation“ (2003), „Ghost World“ (2001) oder „Match Point“ (2005) abgegrenzt. Überhaupt „Match Point“ – dass Johansson nun Woody Allens „neue Muse“ ist, darf natürlich nicht unerwähnt bleiben, gerade weil Scarlett damit ihre künstlerische Integrität untermauert, die von ihrer medialen Überpräsenz sonst leicht verdeckt werden könnte.

Dessen ist sich der Autor auch bewusst, wenn er am Ende fragt, was die Zukunft wohl bereithalten wird. „Scarlett ist noch so jung“, sinniert Chris Roberts, und man seufzt ein wenig mit ihm, von der bangen Sorge umtrieben, das manipulative Hollywood-Business könne die arme Scarlett womöglich verheizen.

Wer Scarlett Johansson wirklich ist, findet in Zukunft vielleicht ein anderer Biograf heraus. Die Frage, was das Geheimnis ihrer unbestrittenen Leinwandpräsenz ist (denn hübsche Gesichter gibt es in Hollywood bekanntlich genug), bleibt logischerweise ebenso unbeantwortet, denn was wäre der Zauber eines jeden wirklich großen Stars noch wert, wenn er analysierbar wäre? Und so verliert sich auch der Autor dieser Rezension stattdessen in unbeschwerte Träumereien, während das Buch vor ihm mit wiederum ganz bezaubernden Fotografien einer die Kamera verführenden, nicht zu unterschätzenden Hollywood-Diva unserer Zeit abschließt.

Von Dominik Rose

Literaturangaben:
ROBERTS, CHRIS: Scarlett Johansson. Übersetzt aus dem Englischen von Madeleine Lampe. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2007. 160 S., 14,90 €.

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