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Schauspieler Glatzeder legt Biografie vor – Stasi abgeblitzt

Der groß gewachsene Mime konnte mit seiner Familie 1982 in den Westen ausreisen

© Die Berliner Literaturkritik, 11.03.08

 

Von Jutta Schütz

BERLIN (BLK) – Goldgräber, Belmondo, Ehemann oder Paul: Der Schauspieler Winfried Glatzeder (62) blättert in seiner jetzt erschienenen Autobiografie die verschiedenen Rollen seines Lebens auf. Glatzeder, der als Paul an der Seite von Angelica Domröse in dem Defa-Kultfilm „Die Legende von Paul und Paula“ 1973 die Herzen der Ostdeutschen eroberte, blickt lakonisch und ohne Zorn auf seine Zeit in der DDR zurück. Obwohl die Staatssicherheit versuchte, ihn unter Druck zu setzen, gelang es nicht, ihn als geheimen Informanten anzuwerben. Sogar den Decknamen „Liebling“ hatte die Stasi schon für ihn ausgesucht, wie er nach der Wende aus seiner Akte erfuhr.

Der groß gewachsene, stets schlaksig wirkende Mime konnte mit seiner Familie 1982 in den Westen ausreisen. Doch zu einem politischen Fall habe er sich nie hochstilisieren lassen, schreibt Glatzeder in seinen Erinnerungen „Paul und ich“. Dieses Kapitel trägt die Überschrift „Vom Regen in die Jauche“ und beschreibt auch die Enttäuschung, am Schiller-Theater im damaligen West-Berlin nicht das wiedergefunden zu haben, was ihm an der Ost-Berliner Volksbühne verloren gegangen sei. Lange habe er sich nicht angekommen gefühlt unter den westdeutschen Kollegen. Trotz eines langjährigen Engagements am Düsseldorfer Schauspielhaus seien künstlerische wie private Krisen nicht ausgeblieben.

Glatzeder, der in einem Interview das Schreiben als harte Erinnerungsarbeit bezeichnet hatte, ist in seinem Rückblick ehrlich mit sich. Er bekennt sich nicht nur dazu, leidenschaftlicher Hypochonder zu sein, sondern berichtet auch von seiner anfänglichen Unpünktlichkeit als Schauspieler, für die er Geldstrafen zahlen musste, von seiner Vorliebe für Bratkartoffeln mit Zwiebelringen und einem Ausflug nach Hollywood. Doch aus der Arztrolle in einer US-Serie wurde nichts. Die englischen Textpassagen hätten ihn mit seinen Volkshochschul-Sprachkenntnissen in Panik versetzt. „No, thank you“, habe er sich verabschiedet.

In zahlreichen Rollen auf Bühnen, in Kino- und Fernsehfilmen war der Schauspieler mit den kantigen, eigenwilligen Gesichtszügen zu sehen. Jetzt spielt er nach mehr als 30 Jahren erstmals wieder zusammen mit seiner damaligen Film-Traumpartnerin Paula. Domröse und Glatzeder sind im Potsdamer Hans Otto Theater in der Komödie „Filumena“ zu sehen, in der es erneut um die Liebe geht.

Damals habe Angelica Domröse ihn nicht nur als Paul in dem Defa-Film überrumpelt, sondern auch als Schauspieler, erinnert sich der gelernte Maschinenbauer und studierte Schauspieler. Die Sorge, neben ihr nicht bestehen zu können, habe seiner Paul-Figur als ungelenker, ehrgeiziger DDR-Funktionär erst Glaubwürdigkeit gegeben. In dem Streifen, der später auch zum Exportschlager und Devisenbringer für die DDR wurde, hätten sich die Zuschauer mit all ihren Sehnsüchten wiedergefunden.

Glatzeder denkt an auch die Premiere im Ost-Berliner Kino „Kosmos“ zurück. Die geladenen Funktionäre in den ersten Reihen hätten nach Filmende wie festgenagelt auf den roten Vorhang gestiert, während hinten im Saal ein Beifallssturm losgebrochen sei.

Während endloser Drehtage mit Regisseur Heiner Carow hätten sie sich besonders mit der Brautnacht-Szene abgemüht. Während die Domröse ihren makellosen Körper selbstbewusst präsentierte, habe er sich für seine Nacktheit geniert, die an die traurige Gestalt eines Don Quichote erinnert habe. Bis er sich selbst akzeptierte, habe es lange gedauert, heißt es in einer Passage.

Glatzeder beendet sein Buch ironisch mit einer „Einladung zu meiner vorgezogenen Beerdigung“. Bei der Feier würden alle gut über ihn reden, bevor er aus dem Sarg steige, um das Buffet zu eröffnen. Dann werde er den Toast sprechen: „Auf das letzte Kapitel meines Lebens! Möge es lang und schmerzlos sein!“

Literaturangaben:
GLATZEDER, WINFRIED: Paul und ich. Autobiographie. Unter Mitarbeit von Manuela Runge. Aufbau-Verlag, Berlin 2008. 253 S. mit 50 Abb., 19,95 €.

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