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Schieflagen zum Schieflachen

Greser & Lenz zeichnen die Welt, wie sie wirklich ist: absurd, aberwitzig

Von: JÖRG VON BILAVSKY - © Die Berliner Literaturkritik, 30.07.09

„Bilder sagen mehr als tausend Worte“, lautet das altbekannte, gern strapazierte Sprichwort. Auf die satirischen Zeichnungen von Achim Greser und Heribert Lenz trifft es allerdings nicht ganz zu. Bei den preisgekrönten Karikaturisten vom Main müssen Bild und Wort zusammen kommen, damit der Funke überspringt. Dieser Funke entfacht dann aber auch beim politisch sensibilisierten Betrachter neben spontaner Heiterkeit, regelmäßig auch Nachdenklichkeit. Und das ist gut so. Denn kluge Leitartikel, Glossen und Kolumnen bringen Konflikte und Krisen selten so unterhaltsam auf den Punkt wie kluge Karikaturen.

Egal, ob es sich um das Nichtrauchergesetz, den Einbürgerungstest oder die Benzinpreiserhöhung dreht, kein Sujet ist den beiden fremd. Auch weltbewegende Themen brechen sie auf das alltägliche Maß herunter. Vor allem den islamistischen Terror nehmen sie immer gern aufs Korn und lassen dabei Angreifer und Angegriffene gleichermaßen nicht ungeschoren. Da wird der mildtätige GI von einem bettelnden Iraker ausgelacht, weil der ihm seine schwächelnde Dollar-Währung in die Büchse stecken möchte. Da werden aber auch die humorlosen Verbote und Vorurteile der Extremisten immer ins Groteske gewendet. Furcht vor Morddrohungen scheinen die beiden jedenfalls nicht zu haben, weswegen sie auch die Ängste der Deutschen fleißig auf die Schippe nehmen. So wenn ein erzürnter Zeitgenosse  in der Schlange vor der Supermarktkasse mit breitem hessischen Dialekt „Hamas“ schreit und dem Vordermann bzw. der Vorderfrau der Schreck in die Glieder fährt.

Vor dem beißenden Witz der beiden ist keine Gesellschaftsschicht sicher. Weder Manager noch Hartz IV-Empfänger, weder der katholische Klerus noch Adam und Eva, weder der agile Bundeswehrsoldat an der Front noch der alternde Spießbürger entkommen ihrem scharfen Blick. Selten aber richtet sich die Kritik direkt gegen prominente Persönlichkeiten. Meist spüren sie den Folgen politischer Entscheidungen oder Ereignisse nach und wenden sie dann ins Absurde und Aberwitzige. So wenn der Kassenpatient aufgrund massiver Einsparungen im Gesundheitssystem für eine allerletzte „Stilllegungsprämie“ von seinem Hausarzt mit einer Spritze „HomoEX“ erledigt wird. Mitleid haben die beiden gemütvollen Kneipengänger vor allem mit ihren Leidensgenossen. Raucher und Biertrinker nehmen sie vor den Angriffen der „Nichtrauchermafia“ und anderen Gemütlichkeitskillern unbedingt in Schutz.

Böse bleiben ihre Karikaturen in jedem Fall. Sonst würden sie nicht im Gedächtnis haften können und bald schon verblassen. Aber genau das tun sie eben nicht. Und deshalb werden aufmerksame Leser der FAZ, des Stern oder der Titanic auch einige Karikaturen wiedererkennen, die in dem prächtigen Begleitband der derzeit im Wilhelm-Busch-Busch-Museum gezeigten Retrospektive ihrer Werke gesammelt vorliegen. Der repräsentative Querschnitt ihres satirischen Schaffens aus dem letzten Jahrzehnt bleibt aktuell. Denn die darin porträtierten Schieflagen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind noch lange nicht begradigt. Sodass ihre „Witze für Deutschland“ jederzeit zünden. Sie wirken wie ein sanfter Schlag auf den Hinterkopf, der nicht nur unsere Lachmuskeln kräftigt, sondern auch Gehirnzellen unter Strom setzt.

Literaturangabe:

GRESER & LENZ: Hurra, die Krise ist vorbei. Verlag Antje Kunstmann, München 2009, 192 Seiten. 18,90 €.

Weblink:

Verlag Antje Kunstmann

Jörg von Bilavsky arbeitet als Journalist und Buchkritiker in Berlin


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