Werbung

Werbung

Werbung

Schreibende Frauen

Ruth Klüger rezensiert Bücher von Frauen, die auch Männer lesen können

© Die Berliner Literaturkritik, 31.08.10

Von Peter Schulz

Marcel Reich Ranicki fragte Judith Hermann einmal, ob sie Kinder wolle. Sie antwortete mit nein, woraufhin er sagte: Mit einem Kind würde eine Autorin kaum noch etwas zustande bringen. Und auch in seinem Kanon der besten 20 Romane befindet sich nur eine Frau: Anna Seghers mit ihrem Roman „Das siebte Kreuz“. Bekanntlich haben Judith Hermann und Anna Seghers Kinder bekommen und danach auch noch etwas zustande gebracht. Man kann also nur hoffen, dass Reich-Ranicki es nicht so ernst damit meint und den Frauen nicht rät, lieber zu lesen als zu schreiben.

In Ruth Klügers bekanntem Buch „Frauen lesen anders“ schreibt die bekannte Literaturwissenschaftlerin, die mit ihren Autobiographien „weiter leben“ und „unterwegs verloren“ selbst sehr lesenswerte Bücher geschrieben hat, im gleichnamigen Essay: „Jeder und jede von uns liest anders, wie kein Leben mit einem anderen identisch ist und sich jedermanns und jeder Frau Weltverständnis von jedem anderen unterscheidet“. Sie unterscheidet dabei nicht nur jeden einzelnen, sondern auch Männer und Frauen und konstatiert, dass Männer und Frauen eben anders lesen, weil sie anders leben. Frauen lesen Hemingway, Faulkner, Roth und „klopfen beim Lesen jede Frauengestalt auf ihr Identifikationsangebot ab“, so Klüger, Männer dagegen lesen wenig Sylvia Plath, Unica Zürn oder Virginia Woolf.

Aber schreiben Frauen auch anders? Nein, eigentlich nicht, beantwortet Ruth Klüger diese Frage, aber Frauen werfen „einen Blick aufs Leben durch anders geschliffene Gläser“, schreibt sie im Vorwort ihres jetzt veröffentlichten Buches „Was Frauen schreiben“, das eine Auswahl von Rezensionen der vergangenen 16 Jahre versammelt, die größtenteils in der Literarischen Welt, aber auch in anderen Tages- und Wochenzeitungen und Literaturmagazinen veröffentlicht wurden.

Dabei rezensiert sie nicht nur Bücher von Nobelpreisträgerinnen wie Herta Müller, Nadine Gordimer oder Doris Lessing, die spätestens mit dem Preis mehr Leser und Leserinnen bekommen haben. Sie bespricht auch Bücher der immer noch als Geheimtipp geltenden Agota Kristof, von eher unbekannten Autorinnen wie Bettina Balaká und Amy Tan oder Debütantinnen wie beispielsweise die chinesische Autorin Yiyun Li mit ihrem Roman „Die Sterblichen“.

Ruth Klüger scheut auch nicht davor zurück, Kriminalromane und „Kinderbücher“, die immer als ein bisschen verpönt gelten, zu analysieren; da findet sich dann neben den Nobelpreisträgerinnen auch J. K. Rowling mit ihren Harry-Potter-Bänden und die Autorin Barbara Vine. Sie empfiehlt außerdem Sachbücher über Caroline von Günderrode, Erika Mann oder Frida Kahlo. Dabei ist sie nicht immer voll des Lobes, durchaus kritisch und zeigt die Schwachstellen mancher Bücher auf, die letztlich doch alle lesenswert sind.

„Was Frauen schreiben“ ist ein Überblick aus allen Bereichen der Literatur, von Frauen geschrieben, die tot, jung, berühmt, vergessen sind oder noch zu wenig Leser (und Leserinnen) haben und die Lust machen. Doch eine Ausnahme gibt es in diesem Band, die nicht verraten wird. Somit fangen wir alle an, Bücher zu lesen, ohne uns den Namen des Schriftstellers oder der Schriftstellerin auf dem Umschlag anzugucken. Ob Literatur von einer Frau oder einem Mann: Ein gutes Buch ist ein gutes Buch ist ein gutes Buch.

Literaturangabe:

KLÜGER, RUTH: Was Frauen schreiben. Zsolnay Verlag, Wien 2010. 272 S., 19,90 €.

Weblink:

Zsolnay Verlag

 


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: