Von Jens Albes und Bettina Grachtrup
REMAGEN (BLK) – Eine Doppelkarriere als Schriftsteller und Diplomat ist in Deutschland selten. Eine der Ausnahmen war Erwin Wickert. Der Autor historischer Romane und kenntnisreicher Sachbücher war Botschafter in Rumänien und in China und blickte auf ein abwechslungsreiches Leben auf drei Kontinenten zurück. Am Mittwoch (26. März 2008) starb der Vater des früheren Tagesthemen-Moderators Ulrich Wickert im Alter von 93 Jahren im rheinland-pfälzischen Remagen-Oberwinter.
Der 1915 in Bralitz in der Mark Brandenburg geborene Beamtensohn studierte Philosophie, Germanistik und Zeitungswissenschaft in Berlin, Volkswirtschaft und Politik in Carlisle im US-Staat Pennsylvania sowie Philosophie und Kunstgeschichte in Heidelberg. Als Kind zählte er Karl May zu seinen Lieblingsschriftstellern, als Student suchte er selbst das Abenteuer. Zum Teil auf offenen Güterzügen reiste Wickert durch die Vereinigten Staaten, durchstreifte ein halbes Jahr China und Japan und kehrte als Schiffsjunge auf einem Frachter in die Heimat zurück.
1939 promovierte Wickert in Heidelberg in Kunstgeschichte. Kurz darauf trat er in die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes ein. Er wurde Rundfunkattaché in Shanghai und Tokio. Zu seiner NSDAP-Mitgliedschaft erklärte Wickert 2005 in einem in „Welt Online“ veröffentlichten Interview, er habe damals ein Buch schreiben wollen. „Dazu musste ich Mitglied der Reichsschrifttumskammer werden, also einer nicht regierungsamtlichen Organisation. Als mein Aufnahmeantrag genehmigt wurde, erfuhr ich in einem Schreiben, dass ich gleichzeitig Mitglied der Deutschen Arbeitsfront, also einer Parteiorganisation, geworden sei.“ Dies habe er aber nie beantragt.
1947 nach Deutschland zurückgekommen, wandte Wickert sich hauptberuflich der Schriftstellerei zu. 1955 trat er wieder in den Auswärtigen Dienst ein. Er wurde Gesandter in London, 1971 Botschafter in Bukarest. Abschluss seiner Diplomatenkarriere war der Botschafterposten in Peking von 1976 bis 1980. Zweimal nahm Wickert einen unbezahlten Urlaub zum Schreiben. In den Nachkriegsjahrzehnten galt er als einer der bekanntesten deutschen Hörspielautoren. Er schrieb 25 Texte dieses Genres und erhielt 1952 den Hörspielpreis der Kriegsblinden. Das wohl bekannteste Werk des Autors ist sein 1982 erschienenes Buch „China von innen gesehen“. Vor allem aber entwickelte Wickert sich zum Autor historischer Romane.
Bis ins hohe Alter pflegte Erwin Wickert Briefwechsel mit früheren Weggefährten und Prominenten. Sein letztes Buch mit dem Titel: „Erwin Wickert: Das muss ich Ihnen schreiben. Beim Blättern in unvergessenen Briefen“ beinhaltet 348 Briefe von 1937 bis 2001. Darunter sind Korrespondenzen mit Schriftstellern wie Günter Grass und Golo Mann, mit Philosophen wie Karl Jaspers und Carl Friedrich von Weizsäcker sowie mit Politikern wie Karl Carstens und Kurt Georg Kiesinger.
Die Leidenschaft fürs Schreiben hat Ulrich Wickert, selbst Verfasser zahlreicher Bücher, von seinem Vater übernommen. Der Ex-Tagesthemen-Moderator sagte im August 2006 dem Magazin „Der Spiegel“: „So weit ich zurückdenken kann, saß mein Vater immer an einer Schreibmaschine. Er hatte in meinen kindlichen Augen nichts anderes zu tun. Er schrieb.“