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Schuld und kein Ausweg

Erstmalig auf Deutsch: Emmanuel Boves Roman „Schuld“

© Die Berliner Literaturkritik, 05.11.10

Von Josephine Bilk

Wodurch entsteht Schuld oder das Gefühl, schuldig zu sein? Wie geht man mit der Gewissheit um, ein Menschenleben ausgelöscht zu haben? Gibt es eine Möglichkeit, sich von der eigenen Schuld rein zu waschen?

All diese Fragen werden in dem gerade mal 97 Seiten umfassenden Roman „Schuld“ von Emmanuel Bove (1898–1945) aufgeworfen. Der französische Autor wurde insbesondere in den 20er und 30er Jahren in Frankreich gefeiert. In Deutschland machten ihn vor allem die Übersetzungen von Peter Handke populär, der ihn in den 80er Jahren für sich entdeckte und seine Werke ins Deutsche übertrug.

„Schuld“ erschien in diesem Jahr erstmalig auf Deutsch, in der Übersetzung von Thomas Laux. Das Original wurde bereits 1932 unter dem Titel „Un Raskolnikoff“ veröffentlicht.

Der Protagonist Changarnier fristet ein trostloses Dasein in einem heruntergekommenen Zimmer im Paris der 20er Jahre. Der Mangel an Geld und Perspektiven hat den jungen Mann zu einem verbitterten und egozentrischen Zeitgenossen werden lassen, der sich nicht nur gegenüber seiner Geliebten Violette launenhaft und herablassend verhält.

Doch von der plötzlichen Hoffnung auf eine positive Wendung ihres Schicksals erfasst verlassen die beiden die Wohnung und wandeln bis spät in die Nacht durch die verschneiten Straßen der Großstadt. Dabei begegnen sie einem aufdringlichen Mann, welcher dem Paar den Mord an seiner Frau vor vielen Jahren beichtet, für den er bis dato nicht als Täter gestellt wurde. Dieses Geständnis löst bei Changarnier eine Vision aus und getrieben von der Überzeugung ein Mörder zu sein, läuft er der Polizei geradewegs in die Arme.

Schon der französische Originaltitel „Un Raskolnikoff“ verweist auf den Antihelden im Roman „Schuld und Sühne“ von Dostojewski, dessen Hauptfigur einen Mord begeht und anschließend von Schuldgefühlen und der Angst, gefasst zu werden, geplagt wird. Am Ende jedoch stellt sich Rodion Raskolnikow der Polizei und verbüßt eine langjährige Haftstrafe.

Stoffliche Parallelen sind also offensichtlich und beabsichtigt, liest sich „Schuld“ doch vor allem als eine Hommage an den großen russischen Schriftsteller. Gleichzeitig ist die subjektive Schuldproblematik auch ein zentrales Thema in Emmanuel Boves Werk, so z.B. in seinem 1933 veröffentlichten Roman „Die letzte Nacht“ (fr. Titel: „La dernière nuit“).

Dennoch wirkt das Handeln von Changarnier vergleichsweise unmotiviert und selten nachvollziehbar, zu sehr ist er ein Gefangener seiner eigenen Realität. Die minimalistische Ausstattung des Romans rückt die Figur zwar in den Mittelpunkt der Betrachtung, doch findet sie schließlich keinen Ausweg aus der eigenen beklemmenden Situation und erscheint am Ende weiterhin als ziellos Umherirrender. Durch die distanzierte Erzählweise und die irrationale Hauptfigur wirkt die Geschichte bisweilen lächerlich und hinterlässt einen in mancherlei Hinsicht unbefriedigten Leser.

BOVE, EMMANUEL: Schuld. In einer Übersetzung von Thomas Laux. Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2010. 120 S., 17,90 €.


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