BERLIN (BLK) – Die SPD-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan hat der CDU nach dem Parteitagsbeschluss zur deutschen Sprache im Grundgesetz eine Anti-Einwanderung-Politik vorgeworfen. „Der CDU- Beschluss ist die Fortsetzung einer aversiven (ablehnenden) Politik gegen Einwanderer“, sagte Schwan „Spiegel Online“. „Mein Akzent läge darauf, die Mehrsprachigkeit bei allen zu fördern.“ Ihre Äußerungen stießen in der CDU auf Empörung. Der CDU-Parteitag hatte sich am Dienstag (2. Dezember 2008) gegen den Wunsch der Parteispitze für eine Verankerung der deutschen Sprache im Grundgesetz ausgesprochen. Die Kritik an dem Vorstoß wird allerdings auch in den eigenen Reihen immer lauter.
Der nordrhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet hält den Beschluss seiner eigenen Partei für überflüssig. Er nannte die Kritik von Schwan aber eine „bodenlose Unverschämtheit“. „Sie spaltet das Land und schadet noch der Integrationspolitik“, sagte Laschet der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin. Die CDU wolle nicht Rechts-Stimmen sammeln. Zugleich distanzierte er sich von dem Beschluss und erklärte ihn für banal. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla wies die Äußerungen von Schwan ebenfalls als Unverschämtheit zurück. „Deutschland ist Integrationsland, und dafür steht die CDU“, sagte er „Spiegel Online“. CDU-Vorstandsmitglied Emine Demirbüken-Wegner bezeichnete die Kritik von Schwan als „unmöglich“.
Der Zentralrat der Muslime in Deutschland warf der CDU einen Rückfall in die Debatte über deutsche Leitkultur vor. „Diese Diskussion hat unendlich viel Schaden angerichtet und schien längst überwunden“, sagte Zentralrats-Vorsitzender Ayyub Axel Köhler der „Neuen Presse“ aus Hannover. Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte den Vorstoß im Online-Portal „Handelsblatt.com“. Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki sagte „Focus Online“, das Bekenntnis im Grundgesetz könne nicht schaden. „Es ist gut, dass es so eine Initiative gibt, und es ist gut, wenn man sich um die Sprache bemüht.“
Bei der CSU-Spitze stieß die CDU-Forderung auf große Skepsis. Parteivize Peter Ramsauer warnte davor, das Grundgesetz mit solchen Vorschlägen „zu malträtieren und zu traktieren“. „Wenn man das Grundgesetz öffnet, muss man sehr sorgfältig damit umgehen.“ Andere CSU-Führungspolitiker begrüßten dagegen den CDU-Beschluss. „Die deutsche Sprache ist (...) auch Schlüssel für eine gelungene Integration von Zuwanderern, die auf Dauer in unserem Land als gleichberechtigte Bürger leben wollen“, sagte der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Hartmut Koschyk, der Tageszeitung „Die Welt“ (Donnerstag, 4. Dezember 2008). Der damalige CSU-Generalsekretär Markus Söder hatte 2005 gefordert, die deutsche Sprache als offizielle Staatssprache im Grundgesetz zu verankern.
Saarlands Ministerpräsident Peter Müller (CDU) verlangte, der Beschluss des Parteitags solle nun auch umgesetzt werden. Der saarländische SPD-Chef Heiko Maas warf Müller in der „Saarbrücker Zeitung“ (Donnerstag, 4. Dezember 2008) vor, er bediene Ressentiments gegenüber ausländischen Mitbürgern. Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte dem Fernsehsender N24, er würde die praktische Bedeutung nicht überbewerten. „Aber in 17 Verfassungen von 27 EU-Staaten wird die Landessprache ausdrücklich in der Verfassung aufgeführt.“ Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hatte bereits am Dienstag (2. Dezember 2008) erklärt, sie halte die Entscheidung nicht für sinnvoll. Dem Artikel 22 im Grundgesetz soll hinzugefügt werden: „Die Sprache in der Bundesrepublik ist Deutsch.“
Die bayerische FDP-Chefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warnte die Union im RBB-Inforadio davor, die Leitkultur zum Wahlkampfthema zu machen. Die Linke-Innenpolitikerin Ulla Jelpke kritisierte: „Die CDU pflegt ihre rechten Rabatten und schürt nationalistische Ressentiments gegen Migranten.“ (dpa/bah)