MÜNCHEN (BLK) – Der Roman „Bis es wieder hell ist“ von Berlef erschien erstmals 1986 auf Deutsch. Der Verlag Nagel & Kimche hat das Buch nun neu aufgelegt.
Klappentext: 1984 wagte es Bernlef als Erster, in einem Roman den Prozess einer Alzheimer-Erkrankung aus der Innensicht zu schildern. Außerdem erzählt er darin die ergreifende Liebesgeschichte eines alten Ehepaars. In Holland eine halbe Million Mal verkauft, dazu verfilmt und auf die Bühne gebracht, wurde „Bis es wieder hell ist“ gefeiert wegen seines fast unheimlichen Vorstellungsvermögens und seiner erhellenden Nachvollziehbarkeit.
Bernlef, geboren 1937, arbeitete als Buchhändler, Redakteur und Übersetzer, schrieb zahlreiche Gedichtbände, Romane, Erzählungen, Essays, Theaterstücke und zwei Bücher über Jazz. Bernlef ist einer der bekanntesten Schriftsteller der Niederlande und lebt in Amsterdam. (tan/wip)
Leseprobe:
© Nagel & Kimche ©
Ich hatte gehofft, dass ich heute Nacht gut schlafen würde. Vera schlief. Sie schläft immer tief, seit sie vor drei Jahren Schlaftabletten zu nehmen begann. Plötzlich war ich wach, wach und vollkommen munter. Ein Ast schlug mit immer größeren Pausen an die Verandabrüstung. Dann hörte auch das Geräusch auf. Mein Kopf war ein einziger großer, hell erleuchteter Raum, vollkommen leer. Und draußen Windstille, Winterdunkel. Und Veras regelmäßiges Atmen. Ich stand auf, ging in die Küche und setzte mich mit einem Glas Milch an den Tisch. Robert rappelte sich aus seinem Korb auf und blieb minutenlang regungslos vor mir stehen. Da ist was, Robert, flüsterte ich, du hast ganz richtig gesehen, aber Gott mag wissen, was es ist.
Es wird der Scheißwinter sein. Das Einzige, was mich hier stört: Die Winter dauern mir zu lang.
Plötzlich steht da Vera im Schlafrock vor mir mit einem Gesicht, als ob Feuer ausgebrochen wäre. Was treibst du hier zu nachtschlafender Zeit angezogen am Tisch?
Ja, das war natürlich sonderbar, dass ich mich angezogen hatte. Ich stehe zwar hin und wieder nachts auf, aber dann ziehe ich gewöhnlich meinen Morgenmantel über und schlüpfe in die Pantoffeln.
Ich konnte meinen Morgenmantel nicht finden, sagte ich deshalb. Sie fragte, ob was los sei. Nichts, sagte ich, mir sei nur, als sei mein Kopf durchsichtig; aus Glas oder Eis, ganz hell, obwohl ich an nichts dächte.
Lies ein bisschen, sagte sie. Oder löse das Rätsel. Sie schob mir die Zeitung über den Küchentisch zu. Du hast mich erschreckt, sagte sie. Plötzlich werde ich wach, und du liegst nicht neben mir. Du darfst dich nicht aufregen, sagte ich. Nimm noch eine halbe Schlaftablette und geh ins Bett. Ich löse das Rätsel, und dann lege ich mich wieder hin.
© Nagel & Kimche ©
Literaturangaben:
BERNLEF: Bis es wieder hell ist. Roman. Übersetzt aus dem Niederländischen von Maria Csollány. Nagel & Kimche, München 2007. 168 S., 17,90 €.
Verlag