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Sechs Hörbuchrezensionen

Hörbücher von Schneider, Knox, Adiga, Ludwig und Rosenboom

© Die Berliner Literaturkritik, 07.08.09

Zwischen Wahn, Wunsch und Wirklichkeit: Helges Bio

Helge Schneider erzählt in seiner „einzig wahren“ Autobiografie „Bonbon aus Wurst“ ganz frei von der Leber weg: Wie er als ausgewiesener Autofan beim Amt jeden Tag ein anderes Gefährt an- und abmeldet. Dass er natürlich unglaublich reich ist, ständig von Fans belagert wird und die allergrößten Superpromis der Welt persönlich kennt und kannte — auch Elvis! Oder auch von dem unvergesslichen Tag, als Schneiders Frau den Wasserhahn angelassen hat, das Haus daraufhin völlig voll lief, was den Entertainer veranlasste das Gebäude abreißen und ein neues Haus bauen zu lassen — mit der Folge, dass Helges Frau nach ihrer Rückkehr ihr Zuhause nicht mehr fand und kurzzeitig wahnsinnig wurde. Ohne Zweifel bewegt sich diese bereits zweite Autobiografie des Künstlers ganz sorgenfrei irgendwo zwischen Wahn, Wunsch und Wirklichkeit. Während Schneider liest, bellen irgendwo im Haus die Hunde. Der Komiker und Musiker ist bei seinem assoziativen Vortrag so entspannt, dass auch Versprecher und Papierrascheln nicht stören. Nebenbei erfährt der geneigte Hörer jede Menge über Schneiders musikalische Ansichten und Praktiken.

Nervenzerfetzend: „Genesis Secret“ von Tom Knox

Während im fernen Kurdistan ein deutscher Archäologe in Göbekli Tepe nahe der türkischen Stadt Sanliurfa Sensationelles entdeckt, werden in Großbritannien mehrere Männer Opfer von Ritualmorden. Detectiv Chief Inspector Forrester glaubt, dass es sich bei den Mördern um Adepten einer in früheren Jahrhunderten sehr einflussreichen mörderischen Geheimgesellschaft, dem Hell Fire Club, handelt. Als Dreh- und Angelpunkt entpuppt sich in Tom Knox' Thriller „Genesis Secret“ die Verbindung dieses Clubs mit der orientalischen Sekte der Jesiden. Diese Sekte hat im Gebiet der Ausgrabungen von Göbekli Tepe viele Anhänger.

Der britische Autor hat in seiner nervenzerfetzenden Geschichte wissenschaftliche Erkenntnisse der Ausgrabungen von Göbekli Tepe und alte orientalische Mythen verwoben. So wirken die Geschehnisse sehr authentisch und beängstigend — Sprecher Stephan Benson spannt die Spannungsbögen auch stimmlich so perfekt, dass der Hörer der doch recht blutrünstigen Story immer weiter und weiter folgen will. Mitten im Geschehen treffen sich der britische Journalist Rob und die französische Archäologin Christine. Beide versuchen auf eigene Faust, die Geheimnisse der Ausgrabungen zu entschlüsseln. Denn es geht um nichts geringeres als die Aufklärung des Rätsels um Ritualmorde und möglicherweise die Religionsgemeinschaften der Welt erschütternde Geheimnisse. Doch je mehr Rob und Christine erfahren, in desto größere Gefahr begeben sie sich.

„Der weisse Tiger“ von Aravinda Adiga

Indien ist ein Land krasser Gegensätze. Der Schriftsteller Aravinda Adiga fängt in seinem preisgekrönten Roman „Der weisse Tiger“ die verschiedenen Facetten und Farben seines Landes ein. Hörbuchsprecher Jens Wawrczeck unterstützt ihn bei der Schilderung des indischen Lebens mit seiner intensiv empfundenen und gelebten Lesung. Erzählt wird von den Menschen im Licht und den Menschen in der Finsternis, denjenigen mit den großen Bäuchen und denjenigen mit den kleinen Bäuchen. Balram, genannt „der weisse Tiger“, ist Held der temporeichen Geschichte, die schwarzen Humor und Sarkasmus mit tiefem Einfühlungsvermögen in die indische Seele verbindet. Der hoch intelligente Balram schafft seinen Aufstieg vom armen Dorfjungen aus einem Ort mit strengem Kastenwesen und skrupellosen Gutsbesitzern bis zum Unternehmer. Der Preis: Am Ende klebt Blut an seinen Händen. Außergewöhnliche Schilderungen des Milieus der Armen wie der Reichen und beeindruckende Psychogramme zeichnen die rasante Handlung aus.

Herrlich komisch: „Die schrecklichsten Mütter der Welt“

Die Geschichten der Berlinerin Sabine Ludwig sind immer herrlich komisch. Nie aber verliert die Autorin dabei den Blick für die Probleme, mit denen sich Kinder und Jugendliche Tag für Tag so herumschlagen. In Ludwigs neuestem Roman ärgern sich Emily, Bruno und Sofia über „Die schrecklichsten Mütter der Welt“. Emilys Mutter ist so chaotisch, dass ihre Tochter den ganzen Alltag der vaterlosen Familie organisieren muss. Brunos Mutter möchte aus ihrem Sohn einen Klaviervirtuosen machen, obwohl der in seiner Freizeit viel lieber boxen würde. Und Sofia fühlt sich von ihrer Mutter vernachlässigt, seit das neue Geschwisterchen da ist. Unabhängig voneinander nehmen die Drei an einem Wettbewerb teil, bei dem „die schrecklichsten Mütter der Welt“ gesucht werden. Die Gewinner dürfen ihre Mütter in eine als Erholungsheim getarnte „Mütterverbesserungsanstalt“ schicken.

Als Ersatz für die Mütter kommen überaus freundliche und adrette Damen in die vorübergehend mutterlosen Familien. Die netten Ersatz-Mamas entpuppen sich aber schnell als gefährliche, ferngesteuerte Puppen. Und wo sind jetzt die echten Mütter? Nach denen haben die Kinder mittlerweile nämlich ganz schön Sehnsucht. Eine abenteuerliche Suche bis in den höchsten Norden Deutschlands beginnt. Können die Kinder ihre Mütter befreien und das Rätsel um den traurigen alten Mann lösen? Die Schauspielerin Anne Moll liest die spannende Geschichte mit großer Leidenschaft und hörbarer Sympathie für die jungen Protagonisten. Ein wunderbares Hörerlebnis.

Peter Korff und „Die drei vom Amazonasstübchen“

Der Papagei Schnabelhofer, die Schildkröte Corinna und der Junge Timmy — das sind „Die Drei vom Amazonasstübchen“, einer kleinen Zoohandlung, die Frau Schubsikowski gehört. Und keiner — außer Timmi — darf wissen, dass Schnabelhofer und Corinna sprechen können. Timmy ist Stammkunde im Amazonasstübchen, weil er dort immer das Futter für seinen Goldfisch namens Mannheim einkauft. Als Frau Schubsikowski zu einer Auslandsreise aufbricht, sollen die Drei sie vertreten. Schauspieler Hans-Peter Korff erzählt in dem zauberhaften Ein-Mann-Hörspiel nach der Erzählung von Hilke Rosenboom davon, wie Timmy, Corinna und Schnabelhofer ihre Aufgabe meistern.

Sie lösen das Problem mit dem pupsenden Frosch, einer depressiven Spinne wird wieder aufgeholfen und den Damen Anna und Conda wird der Wunsch nach einer Schlange ausgeredet. Stattdessen sollen die Frauen lieber einen Fisch kaufen, lautet der Ratschlag. Da wisse man stets, was er denke, er sei treu und verschwiegen und laufe nicht weg. Korff — den heutigen Eltern aus ihrer Kinderzeit sicher noch als Onkel Heini aus „Neues aus Uhlenbusch“ bekannt — spielt den ganzen Witz dieser quirligen, fantasievollen Geschichte aus.

Kleiner Uhu flattert durch die Musikgeschichte

Uhu ist ein sehr musikalischer Vogel. Deshalb flattert das neugierige Tierchen bei seinen ausgedehnten Reisen durch die Epochen am liebsten durch die Fenster berühmter Komponisten. Die fantasievolle Reihe „Uhus Reise durch die Musikgeschichte“ gibt es jetzt als fantastische Sammelbox. Für den Vogel startet „Das große Hörbuch der Musikgeschichte“ im 10. Jahrhundert, wo er Klängen aus Klöstern und Kathedralen lauscht und ihm ein Mönch das Leben rettet. Der Flug durch Länder und Zeiten geht weiter ins 11. Jahrhundert, wo Uhu zusieht, wie die Notenschrift erfunden wird. Ritterlieder grölt er ziemlich schräg, weil er seinen Schnabel zu tief ins Bierfass gesteckt hat.

Weiter geht die Reise, bis Uhu im 15. Jahrhundert die Meistersinger trifft und im opulenten 18. Jahrhundert auf die hochbegabten jungen Herren Mozart und Haydn trifft. Im 20. Jahrhunderts schafft es der Vogel sogar selbst ans Dirigentenpult. Die in der Redaktion von Leonhard Huber entstandenen Hörspiele zeichnen sich durch ihre lebhaften Szenenwechsel und ambitionierten Sprecher aus — und dadurch, dass nicht nur kurze Musikfetzen die Erzählung untermalen, sondern den Werken immer wieder mit längeren Auszügen gerecht werden.

Literaturangaben:

SCHNEIDER, HELGE: Bonbon aus Wurst. Roof Music, Bochum 2009. 198 Min., 17,50 €.

KNOX, TOM: Genesis Secret. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2009. 340 Min., 26,95 €.

ADIGA, ARAVIND: Der weiße Tiger. Gesprochen von Jens Wawrczeck. Der Audio Verlag, Berlin 2009. 320 Min., 22,99 €.

LUDWIG, SABINE: Die schrecklichsten Mütter der Welt. Gesprochen von Anne Moll. Oetinger Audio, Hamburg 2009. 272 Min., 19,95 €.

ROSENBOOM, HILKE: Die drei vom Amazonasstübchen. Gesprochen von Hans Peter Korff. Der Audio Verlag, Berlin 2009. 61 Min., 9,99 €.

Uhus Reise durch die Musikgeschichte: Gesprochen von Burchard Dabinnus, Achim Höppner und Udo Wachtveitl. Igel Genius, Dortmund 2006. 14 Stunden, 79,95 €.

Weblinks:

Roof Music / Verlag Hoffmann und Campe / Der Audio Verlag / Oetinger Verlag /
Igel Genius


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