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Kleist-Fragment eröffnet Ruhrfestspiele

Frank Hoffmann inszeniert „Robert Guiskard - Herzog der Normänner“

© Die Berliner Literaturkritik, 04.05.10

Von Ulrich Fischer

RECKLINGHAUSEN (BLK) – „Kontinent Kleist im romantischen Meer“ lautet das poetische Motto der diesjährigen Ruhrfestspiele. Konsequent hat Intendant zur Eröffnung der Festspiele am Montagabend (3.5.) in Recklinghausen Kleists selten gespieltes Fragment „Robert Guiskard - Herzog der Normänner“ ausgewählt. Hoffmann inszenierte selbst und bearbeitete Kleists Text: Er konnte damit einhelligen Applaus im Festspielhaus auf Recklinghausens Grünem Hügel verbuchen.

Die Normänner belagern Konstantinopel, doch sie sehnen sich nach Frieden, denn die Pest ist ausgebrochen. Die Soldaten murren und schicken eine Abordnung zu ihrem Herzog Robert Guiskard. Der gibt sich unnachgiebig, obwohl er selbst erkrankt ist. Vergeblich versucht er, der Abordnung vorzuspiegeln, er sei der Alte und strotze vor Gesundheit und Kraft.

Frank Hoffmann erweitert Kleists Szenen um Bilder, die das Entstehen des Stücks vergegenwärtigen. Das Fragment, das dem Autor selbst unfertig schien, war nicht nur in der Romantik eine anerkannte Form, sie ist es auch im 21. Jahrhundert. Sie verweist auf das Unvollendete - nicht nur in der Kunst, sondern auch im Leben. So ergibt sich, unterstützt durch die Kostüme, eine komplexe Bühnenzeit: Das Stück spielt im 11., die Szenen um Kleist im 19. und die Aufführung im 21. Jahrhundert.

Das Problem, das Kleist anspricht, handelt von überzeitlichen Aspekten des Krieges. Guiskard kann Konstantinopel nur erobern, wenn sein Heer ihm folgt. In der Demokratie verlieren die Häupter erst recht die Kraft, wenn sie das Volk nicht gewinnen - die Anspielung auf den gegenwärtigen Afghanistankrieg, den die Mehrheit der Deutschen ablehnt, ist mit Händen zu greifen. Kleist selbst schrieb über Guiskard, meinte aber Napoleon.

Hoffmanns Inszenierung bietet eine geistreiche, aktuelle, politische und brisante Deutung, die aber ästhetisch mitunter überfrachtet wirkte - zu viele Effekte: waberndes Feuer, riesige Videoeinspielungen und spektakuläre Anachronismen lenkten eher vom Thema ab als es zu vertiefen.

Das Ensemble scheint von den Versen überfordert. Nur Thomas Thieme in der Titelrolle wurde den Anforderungen des Fragments gerecht. Ein interessantes Konzept, eine überzeugende Botschaft - aber die Umsetzung lässt Wünsche offen.

Neben weiteren Kleist-Dramen stehen Uraufführungen, Lesungen und eine Ausstellung auf dem Programm der Ruhrfestspiele, sogar eine Produktion von Sam Mendes: Der Oscar-Preisträger hat Shakespeares „Sturm“ inszeniert. Das Festival-Programm, das bis zum 13. Juni dauert, ist in diesem Jahr, in dem das Ruhrgebiet eine der Kulturhauptstädte Europas ist, besonders üppig. „Robert Guiskard“ ist eine Koproduktion mit dem Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und wird in der nächsten Spielzeit dort übernommen.

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Ruhrfestspiele

Festspielhaus

Otto-Burrmeister-Allee 1. Recklinghausen


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