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Shakespeares „Hamlet“ ohne Worte

Uraufführung des narrativen Balletts „Hamlet“ im Stuttgarter Großen Haus meisterhaft gelungen

© Die Berliner Literaturkritik, 06.10.08

 

Von Vanessa Voltmann

STUTTGART (BLK) – Die innere Zerrissenheit des jungen Hamlet überzeugend darzustellen, ist selbst für geübte Schauspieler kein leichter Akt. Dem Tänzer Jason Reilly steht lediglich die Ausdruckskraft des eigenen Körpers zur Verfügung. Dennoch oder gerade deswegen ist es ihm bei der Uraufführung des narrativen Balletts „Hamlet“ im Stuttgarter Großen Haus am Freitag meisterhaft gelungen, die Gefühlswelt des dänischen Prinzen zu tanzen. Mit dem Stück eröffnet das Stuttgarter Ballet die Spielzeit 2008/2009. Für die Choreografie zeichnet Kevin ODay, Ballettdirektor am Nationaltheater in Mannheim, verantwortlich.

Im Zentrum dieses Stücks nach dem englischen Dramatiker William Shakespeare steht die unauflösliche Verbindung zwischen dem Sohn und dem ermordeten Vater. Weil das Ballett auf Worte verzichten muss, konzentriert sich alles auf das gleichermaßen harmonische und disharmonische Zusammenspiel von Musik, Körper und Kulisse. Letztere ist es auch, die das drohende Damoklesschwert während des Ballettgenusses nicht vergessen lässt. Die Strukturen von menschlichen Knochen symbolisieren den nahen Tod des tragischen Helden. Sie sind auf dem Vorhang zu sehen und später auch an der Wand.

Über allem ist immer wieder das Zischen, Rasseln und Klappern des väterlichen Geistes zu hören. Er lässt den auf Rache sinnenden Hamlet seinen Auftrag nicht vergessen. Der Prinz möchte, kann aber nicht aus freiem Willen handeln. Nach und nach schließt sich für ihn jede Tür, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Hamlet tanzt seine innere Zerrissenheit. Das symbolisiert sein löchriges schwarzes Obergewand und zeigen seine hektischen, zuckenden Bewegungen mit denen der erste Akt eröffnet wird. Lediglich für ein einziges Pas de Deux mit Ophelia (Alicia Amtriain) gibt er diese Verlorenheit auf.

Hamlet“ ist das erste narrative Ballett des Choreografen Kevin O Day. Und es kommt beim Publikum gut an. Schon zur Pause werden aus den Zuschauerreihen Bravorufe laut. Die Musik für das Stück hat John King komponiert. Sie trägt wesentlich dazu bei, dass die stark komprimierte Handlung in das Bewusstsein dringt. Je weiter sie fortschreitet, desto dramatischer wird sie, gleicht am Ende gar der Hintergrundmusik eines Krimis.

Hamlet tritt als Solist immer wieder aus dem Fluss des Geschehens heraus. Im Theater wäre dann ein beiseite tretender Sprecher zu erwarten. Hier tanzt das Corps de Ballett gleichsam in Zeitlupe, während sich der Held in seinem eigenen Tempo bewegt. Die sichtlich anstrengende Rolle meistert Jason Reilly mühelos. An seiner Seite tanzen unter anderem Evan McKie als Laertes, Jiri Jelinek als Claudius und Bridget Breiner als Gertrud. Am Ende ist Hamlet leer und auch der Tänzer ist sichtlich an seine Grenzen gegangen. Das wirkt authentisch, und das Publikum würdigt den Kraftakt. Erst nach lang anhaltendem Applaus darf das Ensemble schließlich die Bühne verlassen.


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