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Shanes Jones’ surreales Romandebüt

„Thaddeus und der Februar“ ist eine Geschichte, die es in sich hat, denn sie lässt den Leser nicht los

© Die Berliner Literaturkritik, 12.05.10

Von Frauke Kaberka

Sie haben weder die Sonne vergessen, noch die Erinnerung an Frühling und Sommer verdrängt, die Einwohner dieser Stadt. Sie sehnen sich verzweifelt nach Wärme und Licht, denn der Februar hat sie seit fast tausend Tagen fest im Griff. Und genauso lange dauert schon ihr Kampf gegen diesen Monat, der sich zu einer permanenten Jahreszeit entwickelt hat und für sie das personifizierte Böse darstellt. „Thaddeus und der Februar“ heißt das Büchlein des Amerikaners Shane Jones, der zuvor Kurzgeschichten und Gedichte verfasste.

Ein Romandebüt im herkömmlichen Sinne ist es genau genommen nicht, denn „Thaddeus“ oder „Light Boxes“ - wie die Neuerscheinung im Original heißt - ist eher eine Fabel, ein Märchen für Erwachsene. Eine Geschichte, die es in sich hat, denn sie lässt einen nicht los. Es ist ein Wechselspiel zwischen Träumen, die eine bessere Zukunft verheißen, und Alpträumen, die den Zustand der Stadt und ihrer Einwohner widerspiegeln.

Thaddeus ist einer von ihnen. Und er hat besonderen Grund, den Februar zu hassen: Der nämlich hat seine Tochter - wie auch andere Kinder der Stadt - entführt und seine Frau getötet. Und er hat weitere Untaten begangen. Shane lässt apokalyptische Bilder am Leser vorbeilaufen, die Grusel, ja Entsetzen hervorrufen: Kinder, die Eulen den Hals umdrehen; Kadaver von Menschen und Tieren, die an den Bäumen hängen, aus ihren Eingeweiden quellen seltsame Dinge hervor. Andere Menschen ersticken im Schnee. Moose befallen alles und jeden und vernichten Leben. Dann wiederum sind die Toten plötzlich zurück...

Nicht nur Thaddeus, die ganze Stadt mit ihren Außenseitern und Aktionsgrüppchen versucht sich zu wehren und hat dem Februar den Krieg erklärt. Es ist ein verzweifelter Kampf, in dem die Menschen allerlei Zeugs finden und erfinden, um den kalten Feind zu vernichten: zum Beispiel überlange Stangen, um in die dichten grauen Schneewolken Löcher zu stechen und die Sonne hervorkommen zu lassen. Oder Lichtkästen, unter die viele ihre Köpfe stecken. Eines der einfachen Mittel ist Pfefferminze, denn die mag der Februar nicht.

Das alles und den genauso seltsamen Showdown zwischen Ballonfahrer Thaddeus und dem Februar, der in einem Himmelsloch wohnt, beschreibt Shane in einer Art und Weise, die ihresgleichen sucht. Es gibt weder einen einheitlichen Stil noch eine einheitliche Sprache und schon gar keine einheitliche Form. Die Kapitel mit den surrealen Bildern scheinen irgendwie zusammengewürfelt zu sein, was die Dramatik verstärkt. So abwegig das auch erscheinen mag - bei aller Endzeitstimmung ist „Thaddeus und der Februar“ ein heiteres Buch - auch wenn es schwer fällt, einen Sinn hinter all dem zu finden.

„Etliches in ‚Thaddeus und der Februar’ kann ich selbst nicht erklären“, sagt Shane zu seinem Erstling. „Ich wollte keine große Botschaft über Leben und Überleben vermitteln.“ Tatsache ist, dass ihm ein außergewöhnliches, fesselndes Märchen gelungen ist, das jede bisher bekannte Dimension sprengt. Mal sehen, ob die filmische Umsetzung genauso ein faszinierender Bilderbogen wird, denn der amerikanische Schauspieler und Regisseur Spike Jonze („Being John Malkovich“) hat sich bereits die Filmrechte an der literarischen Vorlage gesichert.

Literaturangaben:

JONES, SHANE: Thaddeus und der Februar. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 2010. 175 S., 16,95 €.

Weblink:

Eichborn Verlag


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