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Simon I. und Helene II.

Andreas Eschbachs Roman „Ein König für Deutschland“

© Die Berliner Literaturkritik, 16.06.10

Von Lutz Steinbrück

Mitte der 80er Jahre kursierte an unserem Gymnasium das Gerücht, ein Drittel der US-Abiturienten würde Deutschland für eine Monarchie halten. Für uns ein Grund, über die „doofen Amis“ zu feixen. Ob es stimmte, sei dahin gestellt. Zumindest passte es in unser Bild vom amerikanischen Bildungssystem. Immerhin wussten die meisten von uns, dass mit Wilhelm II. der letzte deutsche Kaiser 1918 abgedankt hatte. Und wir hörten Rio Reiser, der 1985 „König von Deutschland“ werden wollte und mit dieser Song-Idee einen Hit landete.

Was wir nicht kannten, waren Wahlcomputer. Heute ist Reiser bald 14 Jahre tot und Wahlcomputer kennt jeder. Sie kamen in den USA und Deutschland zum Einsatz und sorgten für Ärger bei der US-Präsidentschaftswahl 2000, als George W. Bush sich knapp gegen Al Gore durchsetzte. Kritik wurde laut, dass Wahlmaschinen im Wackelstaat Florida pro Bush manipuliert worden waren. 2009 hat das Bundesverfassungsgericht ihre Nutzung als verfassungswidrig verboten, da Programmierfehler in der Software oder zielgerichtete Wahlfälschungen durch Manipulation der Software bei elektronischen Wahlgeräten schwer erkennbar seien. Mit dem Roman „Ein König für Deutschland“ hat Bestseller-Autor Andreas Eschbach eine deutsch-amerikanische Familiengeschichte geschrieben, in der Wahlcomputer und die Monarchie tragende Rollen spielen.

Eschbach hat ein spannendes Buch vorgelegt, in dem der junge amerikanische Computer-Experte Vincent Wayne Merritt in einen Strudel der Ereignisse gerät, wo Fakten und Fiktion geschickt miteinander verwoben werden. Der kriminelle Magier Zantini beauftragt Vincent, ihm beim Wahlbetrug in Deutschland zu helfen und Geräte zu manipulieren. Zwischen Machtfantasien und Ohnmachtsgefühlen lässt sich dieser auf den Deal ein. Als er merkt, dass Zantini ihn wie einen Gefangenen behandelt, steigt er aus und flieht. Über Umwege endet die Geschichte schließlich damit, dass Vincents Vater Simon fast zum König von Deutschland gewählt wird, mit Gattin Helene an seiner Seite.

Wiederholt konfrontiert der Autor sein Roman-Personal mit dem wahren Leben und bettet die Handlung geschickt in aktuelle gesellschaftspolitische Zusammenhänge ein. So sind die erwähnte Florida-Wahl oder die kontroverse Hessenwahl 2008 ein Thema. Die Figuren äußern sich dazu, während Eschbach Faktenwissen einstreut und seine Quellen sogar mit Fußnoten belegt.

Dass er auch in aufklärerischer Mission unterwegs ist, beweist Eschbach im Nachwort, wo er vor Wahlcomputern warnt. Und er spricht vom Zeitalter des digitalen Wahns, in dem digitale Geräte als Fetisch erscheinen, die viele lediglich bedienen könnten, ohne sie zu verstehen. Die Romanfiguren sind ihrerseits oft einer Dynamik der Ereignisse ausgeliefert und stolpern ungewollt voran. Zugleich werden Eitelkeiten, Geld- und Machtgier als Treibstoffe menschlichen Handelns offenbar. Manche Figuren sind allerdings zu holzschnittartig und bleiben wie der böse Zauberer Zantini klischeehaft. Augenzwinkernd findet auch Rio Reiser seinen Platz im Buch: als Namenspatron des vermeintlichen Königssitzes Schloss Reiserstein.

Literaturangabe:

ESCHBACH, ANDREAS: Ein König für Deutschland. Bastei Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2009. 491 S., 19,99 €.

Weblink:

Bastei Lübbe Verlag


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