Von Johannes Wagemann
Alle Welt redet von Netzwerken und dem „networking“ – auch die beiden amerikanischen Wissenschaftler Nicholas A. Christakis und James H. Fowler. Ihnen geht es aber nicht nur ums Knüpfen neuer Verbindungen. Es geht um die Erkenntnis, dass sie schon längst da sind. „Connected“, verbunden, sei die Welt. Und wir müssten uns klar werden, dass „die Menschheit mehr ist als die Summe aller Menschen“.
Die beiden US-Wissenschaftler von der Harvard University und der University of California in San Diego machen in ihrem in den USA bereits gefeierten Werk jedem klipp und klar, wie wichtig die Netzwerkforschung ist. Dabei schreiben sie zum Glück nicht zum gefühlt tausendsten Mal über das Phänomen von Online-Gemeinschaften wie Facebook (auch wenn sie vorkommen). Sie erläutern vielmehr in einem sehr verständlichen Stil (auch in der deutschen Übersetzung von Jürgen Neubauer), wie die Struktur von Netzwerken beim Lösen vielfältigster Probleme hilft: Die Eimerkette vermag ein Feuer zu löschen, der Mikrokredit einer armen Familie in Bangladesch eine Lebensgrundlage zu erschaffen.
Es ist einfach faszinierend zu lesen, dass jeder Mensch auf der Erde durchschnittlich nur sechs Schritte voneinander entfernt ist – was etwa in einem Experiment festgestellt wurde, in dem einem Absender eine Zielperson zugelost wurde. Ihr sollte er eine E-Mail senden, ohne sie zu kennen. Was kam heraus: sie brauchte im Schnitt nur sechsmal weitergesendet zu werden, um die Zielperson zu erreichen. Christakis und Fowler nennen viele solcher Beispiele, und sie greifen vor allem die aus vorherigen Kapiteln immer wieder auf – das Buch ist in sich vernetzt.
Eine Neuerfindung der beiden Amerikaner ist der Homo dictyous, der Netzwerkmensch. Er sollte aus ihrer Sicht das Menschenbild des Homo oeconomicus ablösen – es ist nicht mehr das Eigeninteresse, nach dem sich der Mensch richtet, sondern er weiß schon seit frühester Kindheit, dass er sich um das Wohl anderer kümmern kann und kümmern sollte. Leider führen Christakis und Fowler dies nicht sehr weit aus. Man fragt sich auch, warum diese Neuschöpfung erst nach 285 Seiten kommt.
Auch Aussagen wie „So lange wir die sozialen Netzwerke nicht verstehen, verstehen wir weder uns selbst noch die Gesellschaft, in der wir leben“ gehören eher zu der Sorte wissenschaftlicher Erkenntnisse, die nur das Offensichtliche bestätigen, wie die „New York Review of Books“ über das Buch schrieb.
Literaturangabe:
CHRISTAKIS, NICHOLAS A. / FOWLER, JAMES H.: Connected! Die Macht sozialer Netzwerke und warum Glück ansteckend ist. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 431 S., 22,95 €.
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