BERLIN (BLK) – Die „FAZ“ bespricht A. J. Lieblings Sachbuch „Zwischen den Mahlzeiten“, die „FR“ rezensiert Siri Hustvedts Roman „Die Leiden eines Amerikaners“. Die „NZZ“ widmet sich Tom Bowers Biographie „Gordon Brown“ und die „SZ“ beurteilt Helge Schneiders abgeschlossenen Schicksalsroman „Eine Liebe im Sechsachteltakt“.
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“
In „Zwischen den Gängen“ (erstmals erschienen 1959) nähert sich der amerikanischen Journalist A. J. Liebling (1904 – 1963) der Pariser Gastronomie „mit Akribie“ und erkennt Dinge, „die bis heute Gültigkeit haben“, schreibt die „FAZ“. So reflektiere er in „kurzweiligen Ausführungen“ beispielsweise über die Beliebtheit der Seezunge oder beklage sich über die „mangelnde gastronomische Bildung der Wohlhabenden“. Anschließend wende er sich „anrührend“ einem persönlichen, für ihn ungelösten Problem zu: den Frauen. Eine Frau habe, „anders als eine navarin de mouton, einen eigenen Kopf“. Liebling verfüge über einen „sehr angenehmen Schreibstil“, der dank Übersetzer Joachim Kalka auch im deutschen erhalten bliebe, und seine Prosa sei von „einem schönen, trockenen Humor durchzogen“.
Hartwig Schultz geht es in seiner Biographie „Joseph von Eichendorff“ nicht um ein „weiteres Panorama der Romantik“, sondern um eine genaue Rekonstruktion von Leben und Weltbild des Dichters, berichtet die „FAZ“. Daher sei der Blick, den Schultz auf Eichendorff werfe eher von nüchterner, faktischer Natur. So bestätige er nicht einfach Altbekanntes, sondern rücke mehrmals „die Dinge kritisch gegen Sebstaussagen des Dichters zurecht“. Seine „redliche Vergegenwärtigung“ verzettle sich allerdings zu oft an Details – der Rezensent hätte sich insgesamt ein wenig mehr „Schwung“ gewünscht.
E. M. Ciorans „Aufzeichnungen aus Talamanca“ sind nun im Programm eines „kleinen Frankfurter Verlags“ zu finden, meldet die „FAZ“. Darin dokumentiere der moderne Gnostiker seinen Aufenthalt auf der Insel Ibiza, die „seiner Entschlossenheit zum Ennui überraschend gut“ standhielt. Die Aufzeichnungen aus dem Jahre 1960 glichen den anderen posthum publizierten Werken Ciorans: Auf der Suche nach „Fundstücken“ müsse man „einige Beiläufigkeiten beizusetzen wissen“.
In seinem Roman „Das Walnusshaus“ feiert der kroatische Autor und Kolumnist Miljenko Jergoviæ „Orgien an Grausamkeit und Gewalt“, findet die „FAZ“. Freilich komme man ohne die „Schrecken von Krieg und Zerstörung“ nicht aus, wenn man hundert Jahre aus der Geschichte des Balkans einfangen wolle. Der erzählerische Redefluss des Autors sei „von überbordender kraft, bilderreich und oft komisch oder sarkastisch“. Allerdings verliere sich in den „aneinandergereihten Anekdoten“ häufig der rote Faden – vielleicht sei das jedoch die einzige Möglichkeit, diese „Katastrophe eines schönen Landes“ festzuhalten.
Diana Donalds bebilderter Band „Picturing Animals in Britain“ ist „eines der originellsten und klügsten Bücher über die englische Kunst zwischen 1750 und 1850“, findet die „FAZ“. Das gemalte Tierleben habe zu jener Zeit Hochkonjunktur gehabt, und Donalds Darstellung reiche von „Wissenschaft über Zoo, Zirkus, Haustierhaltung bis zur Jagd“. Im Mittelpunkt stehe dabei Sir Edwin Landseer (1802 – 1873), der „größte Tiermaler aller Zeiten“. Die Autorin kenne zu jeder Darstellung die „Weiterungen in Karikatur, Presse oder Roman“; sie interpretiere die Bilder nicht nur, sondern stelle den Regelkreislauf dar, den ein Motiv jeweils durchwandert habe.
„Frankfurter Rundschau“
Siri Hustvedts neuer Roman „Die Leiden eines Amerikaners“ kann laut Rezensent Daniel Schreiber „kaum aktueller sein in einem Wahljahr für die amerikanische Präsidentschaft“. Hustvedt erzähle die Geschichte eines Psychotherapeuten, der seine Lebensgeschichte nach dem Tod seines Vaters verfasse. Schreiber bemerkt, dass es der Autorin gelinge, die „zeitgeschichtliche Relevanz“ mit den „privat aufgeladenen Lebensläufen“ der Figuren zu verbinden, und zwar „subtil“. Der Roman sei gleichermaßen das „Portrait eines trauernden Mannes“ und die „feinfühlige Beschreibung einer traumatisierten Kultur“, urteilt Schreiber.
Angela Gutzeit bespricht für die „FR“ das Sachbuch „Die Gabe“ von Lewis Hyde und findet eine „romantisch angehauchte Feier des künstlerischen Werkes“. Hyde beschreibe, wie Kreativität die Welt bereichere und liefere „lehrreiche Beispiele“ aus Märchen und Mythen. Der Lyriker und Essayist formuliere im Nachwort des neu aufgelegten Buches, er wolle einen „prophetischen Entwurf“ schreiben, bemerkt die Rezensentin. Problematisch werden die Gedanken Hydes laut Gutzeit nur, wenn er versuche, Kunst und Marktinteressen strikt zu trennen.
„Neue Zürcher Zeitung“
In seiner unautorisierten Biographie „Gordon Brown“ malt Tom Bower „ein vernichtendes Porträt“ des britischen Premierministers, berichtet die „NZZ“. Der Autor, ehemaliger Journalist einer investigativen BBC-Sendung, habe – gegen Browns ausdrücklichen Wunsch – mehr als 150 Kollegen und Freunde des Politikers befragt. Bower beschreibe Browns Jugend als prägend und zeichne dessen politischen Werdegang, seine innerparteilichen Positionen und insbesondere seine Beziehung zu Tony Blair nach. Über die Hälfte des Buches beschäftige sich mit der Zeit zwischen 1997 und 2007. In seinem Werk werfe der Journalist Brown vor, unberechenbar zu sein: Er verlange „strengste Loyalität“ und ignoriere Kritik, setze auf „Geheimhaltung anstelle von Verantwortung“. Das Porträt möge „einseitig und übertrieben“ sein, aber die „Hinterfragung der Erfolge“ und Kompetenz von Gordon Brown liefere zumindest seinen Kritikern „ausreichend Munition.“
„Süddeutsche Zeitung“
An Helge Schneiders neuem Roman „Eine Liebe im Sechsachteltakt. Der große abgeschlossene Schicksalsroman von Robert Fork“ könne sich nur ein eingefleischter Fan des Komikers „wahrhaft ergötzen“, urteilt Rezensent Burkhard Müller. Alle übrigen Leser werden eine „unglückliche Mitte zwischen Konsistenz und Inkonsistenz in der Handlungsführung“ bemerken, schreibt Müller. Die Geschichte habe einen teilweise unzusammenhängenden Plot und vom „Skurrilen zum Faden“ sei es nur ein „kleiner Schritt“, urteilt der Rezensent.
Jens Hacke rezensiert das neue Sachbuch „Der Schuldkomplex. Vom Nutzen und Nachteil der Geschichte für Europa“ von Pascal Bruckner. Bruckner gehe der Stellung, der „Schwäche Europas“ in der heutigen Zeit nach und scheue dabei kein Klischee. Hacke findet Widersprüche in Bruckners „pauschalurteilsfreudigem Text“, die zu Irritationen des Lesers führen. Ein „ärgerliches“ Buch, das mit „sehr heißer Nadel gestrickt“ sei, befindet Hacke. (mar/win)
Literaturangaben:
BOWER, TOM: Gordon Brown. Prime Minister. Harper Perennial, London 2007. 576 S., 12,99 €.
BRUCKNER, PASCAL: Der Schuldkomplex. Vom Nutzen und Nachteil der Geschichte für Europa. Pantheon, München 2008. 255 S., 12,95 €.
CIORAN, E. M.: Aufzeichnungen aus Talamanca. Aus dem Französischen und mit einem Nachwort von Verena von der Heyden-Rynsch. Weissbooks, Frankfurt am Main 2008. 63 S., 12 €.
DONALD, DIANA: Picturing Animals in Britain 1750 - 1850. Yale University Press, London 2008. 256 S., 48,99 €.
HUSTVEDT, SIRI: Die Leiden eines Amerikaners. Roman. Aus dem Amerikanischen von Uli Aumüller und Gertraude Krueger. Rowohlt Verlag, Reinbek 2008. 411 S., 19,90 €.
HYDE, LEWIS: Die Gabe. Wie Kreativität die Welt bereichert. Aus dem Amerikanischen von Hans Günter Holl. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008. 416 S., 22,90 €.
JERGOVIÆ, MILJENKO: Das Walnusshaus. Aus dem Kroatischen von Brigitte Döbert. Schöffling Verlag, Frankfurt am Main 2008. 613 S., 24,90 €.
LIEBLING, A. J.: Zwischen den Gängen. Ein Amerikaner in den Restaurants von Paris. Aus dem Englischen und mit einem Vorwort und Erläuterungen versehen von Joachim Kalka. Berenberg Verlag, Berlin 2007. 183 S., 21,50 €.
SCHNEIDER, HELGE: Eine Liebe im Sechsachteltakt. Der große abgeschlossene Schicksalsroman von Robert Fork. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2008. 208 S., 7,95 €.
SCHULTZ, HARTWIG: Joseph von Eichendorff. Eine Biographie. Insel Verlag, Frankfurt am Main 2007. 368 S., 22,80 €.
Presseschau vom 13. März 2008
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