In Felicia Zellers Prosadebüt „Einsam lehnen am Bekannten“ sammeln sich kurze Episoden aus dem Lebensgefühl einer Neuköllner Schriftstellerin. Die Protagonistin meistert ihren chaotischen, manchmal alkoholintensiven Alltag, in dem sie zu nichts kommt oder zu nichts kommen will, mit einer umwerfenden (Un)logik, die mal resigniert, mal märchenhaft wirkt. Und so wundert sich der verwirrt-mitgerissene Leser bald auch nicht mehr, wenn sich Gabi, die Stunt-Spinne mit ihrer sechseckigen, grünen Brille an den Frühstückstisch setzt und fragt, ob man nicht einmal ein Drehbuch für sie schreiben könne oder wenn der namenlose Freund der Protagonistin sie nicht hört – schließlich haben Steine keine Ohren.
Die Protagonistin, die an die Autorin angelehnt zu sein scheint, verbringt ihre Zeit damit, viel Kaffee und noch mehr Bier zu trinken, Literatur zu lesen, zu schreiben und nicht zu schreiben – dabei beschreibt sie Stimmungen mit einer Authentizität, die über die grammatischen Regeln hinaus geht. So schaffen es einige Episoden, den Leser in das raue Herz von Neukölln zu katapultieren, indem wörtliche Rede in Großbuchstaben geschrien wird – PFUI, BERLIN, PFUI –, anstatt sie behutsam in Anführungszeichen einzubetten, und indem nicht immer jeder Gedanke zu Ende geführt wird – und schon gar nicht mit dem richtigen Satzbau (wie die Autorin jetzt vielleicht anmerken würde). Die Welt von Felicias Zeller, in der Rentner beigefarben, Köpfe poetisch und das Ausland ausländisch ist, in der man hören kann, wie Ideen ausgebrütet werden, hat ihre eigene Poetik; auch wenn es darum geht, dass die Protagonistin und ihr Freund tagelang „brettern“ (trinken) – und das, obwohl Kinder „zugucken gekonnt hätten können“.
Die einzelnen Episoden sind stilistisch und qualitativ unterschiedlich, manche sind herzerwärmend komisch, bei manchen ist die sprachliche Experimentierfreudigkeit etwas anstrengend. So sind in das Buch auch Bilder aus einem eigenen Projekt, ein Gedicht und scheinbar zusammenhangslose Textfragmente eingegliedert. Im wirren Neuköllner Künstleralltag gibt es nicht immer einen Grund, da kann auch einfach erzählt werden, „wie man eine ruhige Kugel schob und wie toll es war“. Manchmal wäre es allerdings schön, auch die Bedeutung zu verstehen.
Das Leben der Protagonistin besteht allerdings nicht nur daraus, Neuköllner Bars abzuklappern und sich mit Kreuzworträtseln vom Schreiben abzulenken – es ist in sich so literarisch, wie das Alltagsleben gestaltet werden kann. Deswegen erschlägt die große Dichterin und Protagonisten eine Kleidermotte mit „Die Wellen“ von Virginia Woolf. Während sie in einem Café auf ihre ebenfalls dichtende Freundin wartet und einen Cappuccino nach dem anderen trinkt, - denn ihre Freundin kommt immer zu spät -, liest sie die Traumnovelle. Deren Zitate vermischen sich so mit ihren Eindrücken, dass sich am Ende nicht nur Fridolin wundert, wo er eigentlich ist.
Felicias Zeller, die neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit als Ärztin arbeitet, Kurzfilme entwickelt und fürs Theater schreibt, definiert in ihrem Romandebüt nicht nur Kampftrinken neu, sondern auch Logik. Grotesk und impressionistisch schreibt sie das Leben in Neukölln so zusammen, wie die Protagonistin es erlebt oder zu erleben denkt. Dass das Buch stellenweise etwas klischeebelastet wirkt, verzeiht man ihm bei seiner sympathischen Selbstironie gerne. Zeller spielt mit der Sprache, ihren verschiedenen Formen und Lauten. Man merkt, dass nicht nur sie selber Spaß dabei hat. Und wenn die Kreativität doch einmal verkatert einschläft, dann kommt Witold. Der Schlapperschrot, Zacksaudel.
Von Nora Lassahn
Literaturangaben:
ZELLER, FELICIA: Einsam lehnen am Bekannten. Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2008. 166 S., 18,90 €.
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