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„So leben, dass ich frei atmen kann“

Ein Roman gegen den Mythos vom Traumpaar Zelda und F. Scott Fitzgerald

© Die Berliner Literaturkritik, 23.12.10

Von Nadin Wildt

Zelda Fitzgerald ist eine der Autorinnen, über die weit mehr Bücher erschienen sind, als von ihr selbst veröffentlicht wurden. Zusammen mit F. Scott Fitzgerald wird sie im Allgemeinen als das Traumpaar des glamourösen Jazz Age betrachtet. Zahlreiche Biografien romantisieren das Bild des exzentrischen Paares, das weder mit- noch ohneeinander leben kann. Scott wird als ein Jahrhundertautor gefeiert, wohingegen die Talente der Tänzerin, Malerin und Schriftstellerin nur Randbemerkungen bleiben. Gegen diese Sicht möchte Katrin Boese mit einer kürzlich erschienenen Romanbiografie Einspruch erheben. Sie hat nach gründlicher Recherche eine neue Version der berühmten Liebesgeschichte zusammengefügt, indem sie konsequent für Zelda Fitzgerald Stellung nimmt.

Anders als Gilles Leroy in seinem Roman „Alabama Song“ von 2008 erzählt Boese nicht direkt aus der Sicht ihrer Protagonistin, sondern wählt die Perspektive von Zeldas lebenslanger Freundin Sara Mayfield. Mit Zitaten aus Mayfields eigenem Buch, Nancy Milfords Zelda-Biografie, aus literarischen Texten und Briefen untermauert Boese die fiktiv zusammengefügte Reihe von Erinnerungen. Zwar haben viele der beschriebenen Begegnungen und Briefwechsel so nie stattgefunden, doch vermittelt der Roman eine Authentizität, wie sie sachliche Lebensbeschreibungen nur selten erreichen.

Dass Boese kein romantisches Bild der Fitzgeralds zeichnen möchte, wird schon mit dem reißerischen ersten Satz des Romans klar: „Ich habe den Mann geheiratet, der Zelda vergewaltigte, als sie gerade fünfzehn war.“ Als Sara Mayfield diese Tatsache bewusst wird, ist sie längst wieder geschieden und führt im Gegensatz zu Zelda ein selbstbestimmtes Leben als Journalistin. In der Gegenüberstellung der beiden Freundinnen wird das Zeittypische dieser Frauenschicksale deutlich, aber auch der außergewöhnliche Charakter der Protagonistin. Während die Erzählerin selbst schemenhaft bleibt und von ihrem eigenen Leben nur Eckdaten nennt, beschreibt sie Zelda als schillernde und tragische Figur.

Beide Frauen werden zu Beginn des Jahrhunderts in Montgomery, Alabama, geboren und wachsen in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Schon als Mädchen werden sie gute Freundinnen. Mit der Heirat ändert sich ihr beider Leben radikal. Sara entkommt dank eines Zufalls ihrem brutalen Mann nach einem Jahr. Zeldas Ehe wird bis zu Scotts Tod von Höhenflügen und Tiefpunkten, Manipulation und Demütigung geprägt sein. Im Roman wird immer wieder erwähnt, welch ein charmanter, intelligenter Mensch F. Scott Fitzgerald sein konnte – doch der exzessive, dauerhafte Alkoholkonsum und sein ausgeprägter Egozentrismus lassen dieses Wesen selten zum Vorschein kommen. (Nebenbei verteilt Katrin Boese auch den ein oder anderen Seitenhieb auf seinen Saufkumpanen Ernest Hemingway.)

Überliefert ist Scotts Notiz von 1933: „Angriff auf allen Ebenen: Stück (unterdrücken), Roman (unterdrücken), Bilder (verzögern), Charakter (angreifen), Kind (entfremden), Tagesablauf (durcheinander bringen, um Streit und Unruhe hervorzurufen). Kein Maschineschreiben. Wahrscheinliches Resultat: neuer Nervenzusammenbruch.“ Tatsächlich schafft er es, für die Tochter Patricia den Namen Scottie (!) durchzusetzen und ihre Beziehung zur Mutter zu zerstören. Unzählige Monate verbringt Zelda in Nervenheilanstalten. Scott erzählt den Ärzten verzerrte Geschichten, denen Zelda die Diagnose Schizophrenie verdankt. Ihr Bedürfnis „frei atmen zu können“ wird von Scott als Krankheit aufgefasst, sodass ihre künstlerischen Ambitionen nur selten Unterstützung finden. Vorrang haben natürlich Scotts eigene Arbeiten, darin sind sich auch Zeldas Ärzte einig. Selbst auf den „Romanstoff“ ihrer eigenen Krankengeschichte erhebt Scott Anspruch, da er schließlich die Aufenthaltskosten tragen musste.

Ihren einzigen vollendeten Roman schreibt Zelda in der Klinik. Der Text wird vor der Veröffentlichung (durch Scotts Verleger) stark gekürzt, der autobiografische Anteil zusammengestrichen und der verzweifelte Titel „Save me“ um ein kitschiges „the waltz“ ergänzt (deutsch unter dem Titel „Schenk mir den Walzer“). Ihre Erzählungen sind unter Scotts oder bestenfalls unter ihrer beider Namen erschienen, der zweite Roman „Caesar's Things“ bleibt unvollendet und eine Einzelausstellung mit ihren Kunstwerken die große Ausnahme. Ein ums andere Mal scheitern ihre Versuche künstlerisch und finanziell unabhängig zu werden. Nach Scotts Tod verlebt Zelda nur einige ruhige Jahre in ihrer Heimatstadt Montgomery, als eine gebrochene, in Religiosität geflüchtete Frau. Bei einem Krankenhausbrand kommt sie mit 47 Jahren ums Leben.

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Im einfachen, fast plauderhaften Sprachstil, der nahtlos in Briefpassagen etc. übergeht, zeichnet Katrin Boese ein emotionales, von Mitleid bestimmtes Bild der gescheiterten Künstlerin. Die Autorin will aufzeigen, wie ein chauvinistischer Alkoholiker seiner Frau alle Chancen auf die Entwicklung ihrer Talente verbaute – und selbst als Legende in die Geschichtsbücher kam. Die Abrechnung mit dem berühmten Schriftsteller folgt der Erkenntnis: „...kein Mann, kein Streit.“ Dass Zelda selbst ein unangepasster, eigensinniger Mensch war, verheimlicht die Autorin aber nicht. Durch all das Drama strahlt die faszinierende Persönlichkeit der Zelda Fitzgerald, deren Lebensgeschichte sich, nachdem viele ihrer Briefe und Werke zerstört wurden, nur subjektiv rekonstruieren lässt. Dies hier ist die Geschichte, wie Katrin Boese sie sieht.

Literaturangabe:

BOESE, KATRIN. Zelda Fitzgerald. „So leben, dass ich frei atmen kann“.  AvivA Verlag, Berlin 2010. 259 S., 19,50 €.


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