Werbung

Werbung

Werbung

Maßvollere Kritik an Israel

Als Dramatiker will er jedoch weiter der Provokation frönen

© Die Berliner Literaturkritik, 21.08.09

TEL AVIV (BLK) - Der bekannteste israelische Bühnenautor in Deutschland, Joshua Sobol, hat zu einem besseren Verständnis von Israel und maßvollerer Kritik aufgerufen. Zugleich appellierte Sobol am Donnerstag in Tel Aviv an die zweite und dritte Generation der Deutschen und Juden nach dem Holocaust, alles dafür zu tun, dass die Wunden heilen und nicht wieder aufbrechen. Der bekennende „atheistische Jude“ und „Linke mit eigener Meinung“ kündigte an, auch nach seinem 70. Geburtstag am kommenden Montag (24. August) die Arbeit an provokanten Stücken fortzusetzen. Die sind in Deutschland, aber auch in Europa bekannter und beliebter als Israel. Woran liegt das?

Sobol: „Das stimmt. Ich habe nie zu einer Gruppe oder Gang gehört. Alles, was ich geschrieben habe, war kontrovers. Mein Theater ist sehr fordernd und nicht einfach zu inszenieren. Viele meiner Stücke sind hier nicht bekannt. Manchmal fühle ich mich als Fremder im eigenen Land.“

Wie ist denn Ihr Verhältnis zu Europa, wo sie gefeiert werden?

Sobol: „Die Beziehung von Israel zu Europa ist nicht einfach. Israel ist einige Kritik wert, aber ich glaube, die Kritik gegen Israel ist unverhältnismäßig und geht manchmal über die Spitze hinaus. Ich bin sehr besorgt, wenn ich von Boykottaufrufen gegen Israel lese. Das wird nur das rechte Lager in Israel stärken. Für sie wird es einfach sein zu sagen: Sie (die Europäer) hassen uns, was immer wir auch tun. Sie verstehen und akzeptieren uns nicht. Für sie werden wir immer Fremde bleiben.“

Was ist ihrer Meinung nach der Grund dafür?

Sobol: „Es gibt ein Problem mit dem europäischen Bewusstsein. Ich glaube, viele Europäer würden ihre Schuldgefühle gegenüber den Juden gern los werden. Sie nutzen jeden Anlass, um auf Israel als kriminellen Staat zu sehen, dem man nichts schuldet, außer ihn zu boykottieren oder sogar sein Existenzrecht infrage zu stellen.“

Welche Rolle sollte Deutschland spielen?

Sobol: „Ich erwarte, dass Deutschland, und dabei vor allem die Linken und Liberalen, die Situation in Israel viel besser verstehen als andere Länder. Ich erwarte, dass Deutschland die sehr komplexe Situation versteht und nicht das Maß bei der Einschätzung verliert, was zwischen uns und den Palästinensern passiert.“

Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Deutschland?

Sobol: „Auf der persönlichen Ebene habe ich keinerlei Probleme mit den Deutschen oder deutschen Kollegen. Ich glaube noch immer, dass der Kontakt zwischen Juden und Deutschen sehr wichtig ist. Beide müssen die sehr schmerzhafte Vergangenheit bewältigen. Die zweite und dritte Generation (nach dem Holocaust) ist nicht schuld daran, was ihre Eltern getan haben, aber sie haben die Verpflichtung, die Wunden zu heilen. Es ist sehr einfach, die Wunden wieder aufzukratzen oder zu vergiften, so dass sie wieder anfangen zu bluten. Wir müssen de-dämonisieren, und das geht nur durch menschliche Kontakte. Berlin ist unter jungen Israelis zu einer Art Attraktion geworden.“ Wovon handelt Ihr nächstes Stück?

Sobol: „Ich habe ein Stück für das Tel Aviver Universitätstheater über die Flüchtlinge aus (der sudanesischen Bürgerkriegsprovinz) Darfur geschrieben. Die Art und Weise, wie wir mit den Flüchtlingen umgehen, ist sehr problematisch. Wir sollten sie mit offenen Armen empfangen, wie es unsere Pflicht und Verpflichtung aus dem Holocaust ist. Die Darfuri waren Kandidaten für die Auslöschung. Das Stück ist ziemlich provokativ. Mal sehen, was passiert.“

Vor 20 Jahren haben Sie nach Drohungen aus dem rechten Lager wegen des provokanten Stückes „Das Jerusalem Syndrom“ für vier Jahre Israel verlassen. Tragen Sie sich mit dem Gedanken, auszuwandern, falls es wieder eine solche Welle der Kritik gibt?

Sobol: „Das Stück hat damals einen Höllenskandal verursacht. Ich bin als Verräter beschuldigt worden. Niemand vom Theater in Haifa hat mich damals unterstützt. Dieses Mal werde ich aussitzen, was auch immer passiert. Ich werde nicht gehen.“


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: