Werbung

Werbung

Werbung

Peter Hacks’ Berlinische Dramaturgie

Sozialistische Klassik als Selbststudium

© Die Berliner Literaturkritik, 23.12.10

HACKS, PETER. Berlinische Dramaturgie. Gesprächsprotokolle der von Peter Hacks geleiteten Akademiearbeitsgruppe. In fünf Bänden, Aurora-Verlag, Berlin 2010. 2224 S., 126 €.

Von Stephanie Schick

Im „Aurora-Verlag“ ist im Frühjahr die fünfbändige Ausgabe der „Berlinischen Dramaturgie“ erschienen, die sämtliche Gespräche der von Peter Hacks geleiteten Arbeitsgruppen protokolliert. „Aurora“ gehört zur Eulenspiegelgruppe, die mehrere Verlage vereint, die ihre Wurzeln in der DDR hatten und mit ihrem breiten Literaturangebot eine große Leserschaft – zunächst im Osten – erfreuten. So nimmt es auch nicht wunder, diese höchst spezielle Lektüre nun im „Aurora-Verlag“ publiziert zu sehen, wo man sich im besonderem Maße um die Herausgabe des Hacks´schen Gesamtwerkes bemüht.

Die Berlinische Dramaturgie umfasst Gesprächsprotokolle aus über drei Jahrzehnten, von den frühen Siebzigern bis zum Fall der Mauer. Zum festen Kern der Debattierenden in der Akademie der Künste gehören Helmut Baierl, Rainer Kerndl, Wolfgang Kohlhaase, Günther Rücker, zunächst noch Heiner Müller und neben vielen anderen natürlich auch Peter Hacks und dessen Frau Anna Elisabeth Wiede.

Die ersten beiden Bände widmen sich ausschließlich der Dramatik und besprechen Grundlegendes. Themen waren beispielsweise „die Kritik der Hegelschen Dramentheorie“ oder zeitgenössische Theateraufführungen, wie „die Lachtaube“ von Baierl, „die wilde Rotte“ von Rainer Kerndl oder Volker Brauns „Hinze und Kunze“. Verblüffend ist dabei die Schonungslosigkeit, mit der zuweilen diskutiert wird. Man nimmt selten ein Blatt vor den Mund und kritisiert frei heraus, stellt Fragen, korrigiert sich oder entwickelt Verbesserungsvorschläge. So erfährt man manches Detail über die DDR und deren künstlerische Maßgaben. Aber auch Charakterzüge der Teilnehmer blitzen auf und lassen tiefer blicken. Wie kontrovers darf in einer Diktatur diskutiert werden?

Der dritte Band, der sich mit der Ästhetik beschäftigt, beginnt mit Gesprächsprotokollen über die „Konzeption des sozialistischen Realismus 1934“ (im Januar 1978) und der „Realismustheorie von heute“ (5 Monate später), bevor sich das Gespräch im Frühjahr 1979 mit dem Lyrikband „Eisenzeit“ von Karl Mickel auseinandersetzt. Die Bände bzw. die Reihenfolge der Gespräche waren allesamt so ausgerichtet, dass  eine Diskussion über eine gemeinsame, themengebundene Basis der Arbeit am konkreten Text vorausging. Allerdings waren nicht zu jeder Sitzung dieselben Teilnehmer anwesend, sodass alle die gleiche Gesprächsgrundlage gehabt hätten.

Unterstützen Sie unser Literaturmagazin: Kaufen Sie Ihre Bücher in unserem Online-Buchladen - es geht ganz einfach und ist ab 10 Euro versandkostenfrei! Vielen Dank!

Der vierte Band umfasst Protokolle zur Technik des Dramas, die auf die Jahre 1988 bis 1989 datiert sind. Wieder eröffnen recht spezielle Fragestellungen über „exponierende Soliloquien“ oder „was heißt und zu welchem Ende studiert man Dramaturgie?“ den Diskurs. Theateraufführungen wie „Maria Stuart“, „Kind Lear“ oder „Prinz von Homburg“ liefern die praktischen Beispiele für die theoretische Dramenanalyse.

Für den Interessierten gestaltet es sich natürlich äußerst schwierig, sich in die Zeit und ihre spezifischen Fragen hineinzuversetzen. Da hilft auch der fünfte Band, der sowohl Kommentare als auch Bildquellen und biografische Abrisse liefert, wenig. Viele der Gesprächsteilnehmer und Belange von damals spielen im heutigen Gedächtnis nur noch eine eher marginale Rolle.

Die Chronik der Akademiegespräche dient daher wohl eher zur Vertiefung und Forschung eines speziellen Themas. Wer an Hacks' Dramen interessiert ist, sollte sich besser an die Primärliteratur halten oder die heutigen Theaterinszenierungen seiner Stücke besuchen.


Bookmark and Share

BLK mit Google durchsuchen: