Von Ulrike Cordes
Eleganter Kopf mit weiten Nüstern, geschwungener langer Hals, dazu ein muskulöser, nicht allzu großer Körper: Die Schönheit der Kartäuser-Pferde besticht mit Ebenmaß, Sanftmut und Kraft. Hier, auf dem weitläufigen Gestüt „Yeguada de la Cartuja“ vor den Toren der andalusischen Sherry-Stadt Jerez de la Frontera, dreht sich alles um die wertvollste Unterart der weltberühmten Reinen Spanischen Rasse. Es waren Mönche des Kartäuser- Schweigeordens, die wohl zur Renaissance mit der Zucht begannen und die Reinheit der Tiere - zumeist Schimmel - allen Widrigkeiten zum Trotz bis in die Gegenwart bewahrten. In Schau-Vorführungen der heute staatlichen Anlage können Besucher die Rösser bei „Hoher Schule“ und in malerischen Kutsch-Gespannen bewundern.
„An Pferden fasziniert mich vor allem deren Noblesse“, sagt Gonzalo Giner, während er auf dem Gestütshof einem Exemplar seinen ebenmäßigen Hals streichelt. Der freundlich-zurückhaltend auftretende 48-Jährige, der aus Madrid angereist ist, gerät ins Schwärmen:
„Abgesehen von ihrer körperlichen Harmonie imponiert mir, wie stets großzügig und treu ergeben sie dem Menschen dienen - ob im Krieg, bei der Arbeit oder wann immer der ihre Hilfe braucht.“ Giner, der in seinem Brotberuf als Tierarzt allerdings meist mit Milchkühen umgeht, hat nun bereits seinen dritten Roman vorgelegt: Im Mittelalter- Schmöker „Der Heiler der Pferde“, in Spanien ein Auflagenerfolg, huldigt er mit Passion der Rolle der Tiere um das Jahr 1200 - während entscheidender Kämpfe im maurisch besetzten Al-Andalus.
Das Pferde-Thema verbindet der Autor mit der Entwicklungsgeschichte eines auf sich selbst gestellten jungen Mannes aus ärmlichstem Hause. Einen weiteren Aspekt bilden Geschehnisse zum damaligen Mit- und Gegeneinander von Christen, Moslems und Juden - mit unmittelbaren Parallelen zur Gegenwart. „In meinen Helden Diego, der seinen Weg zum angesehenen Pferdeheiler immer mit seiner geliebten Stute Sabba geht, habe ich viel von mir selbst und meinen Idealen gelegt“, erklärt der belesene, historisch gebildete Unterhaltungsschriftsteller. „Obwohl ich es als Anwaltssohn nicht so schwer hatte wie er, möchte ich doch junge Leute ermutigen, auf die eigene Kraft zu vertrauen und Ziele mit Optimismus, Großzügigkeit und Treue zu verfolgen.“
Der Waise Diego erlernt das Heilen bei einem moslemischen Tierarzt, der ihm Unterschlupf gewährt - tatsächlich war es eine geschichtliche Leistung der Araber, die wissenschaftlich begründete (Veterinär-) Medizin nach Europa gebracht zu haben. Der junge, unerfahrene Christ und Islam-Hasser erfährt dabei, dass auch Menschen anderen Glaubens achtbar sind. Daneben gibt es im Buch historisch verbürgte Fanatiker auf beiden Seiten, die viel Blut fließen lassen.
Bei alledem verdeutlicht der Verfasser, wie wichtig für die Spanier die Befreiung von der Jahrhunderte langen Herrschaft der Araber war. „Eigentlich nicht viel anders als heute“, meint Giner später beim Gespräch im uralten, maurisch geprägten Jerez, „Einzelne aller Religionen können sich gut verstehen, da hat Extremismus keine Bedeutung.“
Mit Nachdruck fährt der Autor jedoch fort: „Insgesamt wollten die Moslems aber immer mit Gewalt belehren. Überhaupt dient Religion oft nur als Vorwand für Machtstreben.“ Und er resümiert: „Ich bin generell der Auffassung, dass sich Bevölkerungsgruppen immer an die Kultur des jeweiligen Landes anpassen sollten - und keinesfalls umgekehrt.“
Unangefochten bleibt in seinem Roman die Bedeutung der Pferde: Diegos Sabba (übersetzt „Ostwind“) ist eine schlanke, schnelle Araberstute - und damit laut Überlieferung von Allah selbst aus Wind erschaffen.
Literaturangabe:
GINER, GONZALO: Der Heiler der Pferde. Blanvalet Verlag, München 2010. 671 S., 21,95 €.
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