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Spaß am Mittelalter

„Millennium“ - Tom Hollands Geschichtsbuch zum Mittelalter

© Die Berliner Literaturkritik, 18.12.09

Von Ariane Stürmer

So wirklich neu ist das alles nicht, was Tom Holland in seinem Buch „Millennium“ erzählt: Das Mittelalter, seine Ereignisgeschichte, Päpste, Kaiser, Könige. Das Ganze eingebettet in einen Zeitrahmen, wie er eigenwilliger kaum sein könnte: vom Beginn der antiken Kaiserzeit bis zur Eroberung Jerusalems im Jahr 1099 – mit Fokus auf das 11. Jahrhundert. Da nämlich liegen laut „Millennium“ die Wurzeln des heutigen Europas. Und so verspricht denn auch der Untertitel „die Geburt Europas aus dem Mittelalter“.

Wie Holland, übrigens kein aktiv forschender Mediävist, sich das vorstellt, bleibt indes schleierhaft. Klar, da sind die durchaus unterhaltsamen Passagen, in denen Holland die schlichte Ereignisgeschichte nacherzählt. Da sind Behauptungen und Fiktionen, die sämtlich ihren Reiz haben – wollte man einen Roman lesen. Was dem Buch aber fehlt, ist aktuelle Forschung. Überhaupt: Wissenschaft. Die kommt nicht nur zu kurz, sie ist quasi nicht vorhanden. Das ist schade, weil Holland durchaus eine interessante These aufstellt: Die Trennung in Staat und Kirche unter Papst Gregor VII. als Wiege der Moderne. Mit dem Mittelalter liegt das neue Europa in den Wehen.

Aber Holland belegt nichts, schafft kein Verständnis und kann letzten Endes nicht überzeugen. Stattdessen erzählt der Autor unprätentiös und mit der lockeren Sprache eines Unterhaltungsliteraten, was sich so alles im ersten Jahrtausend des Christentums zutrug. 425 Seiten braucht er dazu, untergliedert in sieben Kapitel, die so kryptisch formulierte Überschriften tragen, dass sich bestenfalls erahnen lässt, was der Inhalt sein könnte: „Die Rückkehr des Königs“ – „Die alte Ordnung wandelt sich“ – „Westwärts“ oder, besonders erhellend „Eine unbequeme Wahrheit“. Erstes Unterkapitel: „Sex? Nein danke.“

Dazu eine Zeittafel, die die Ereignisse zwischen den Jahren 33 und 999 auf zwei Seiten zusammenfasst, für die Jahre 1000 bis 1099 dagegen vier Seiten Platz hat. Es folgt ein Anmerkungsteil, ein umfangreiches Literaturverzeichnis und das Register. Zur Orientierung des Lesers über das wer und wo im Dickicht mittelalterlicher Reiche, Herrscher und Grenzen sind 14 Karten über das gesamte Buch verteilt. Fotografische Auflockerung findet sich lediglich auf einigen Tafeln in der Mitte des Buches.

Tom Holland hat sich der höchst komplexen Geschichte des Mittelalters mit seinem Netz aus Herrschern, Reichen und Religionen populärwissenschaftlich genähert. Das ist gut, um die Geschichte europäischer Kultur möglichst vielen Menschen verständlich zu machen. Und weil Hollands Buch alles andere als stilistisch trocken ist, dürfte ihm das auch gelingen. Man könnte sagen: Mit Holland macht das Mittelalter Spaß. Nur eines fehlt seinem Buch, und das hätte der Autor mit tiefgehenderen Analysen seiner Thesen ohne weiteres hinzufügen können: Mehrwert.

Literaturangabe:

HOLLAND, TOM: Millennium. Die Geburt Europas aus dem Mittelalter. Aus dem Englischen von Susanne Held. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2009. 502 S., 29,90 €.

Weblink:

Klett-Cotta Verlag

 

 


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