MÜNSTER (BLK) - Die deutsche Sprache kann mit dem technischen Fortschritt laut Expertenmeinung nicht mithalten. „Wer die Sprache betrachtet, dem fallen viele Versteinerungen auf“, sagte der Linguist Christian Fischer von der Universität Münster in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Trotzdem würden solche Wörter in der Sprache konserviert. Das habe tiefgehende Ursachen. „Begriffe werden zu Konventionen und das verleiht Sicherheit“, so der Forscher.
Bei dem Thema Auto sei das deutlich zu erkennen, sagte Fischer. „Der Kotflügel hat nicht mehr die gleiche Funktion wie früher“. Auch im Handschuhfach liegen heute andere Dinge als noch vor 100 Jahren. „Damals brauchte man die Handschuhe bestimmt zum Autofahren, da viele mechanische und technische Dinge zu regeln waren“, mutmaßte Fischer. Benzinleitungen lösen, Kurbel betätigen: Dafür war noch Handarbeit gefragt. Nach dem Fahren wurden die Handschuhe dann verstaut. Heute nutze das Handschuhfach aber kaum noch einer für die Namensgeber. „Ich würde wetten, dass noch nicht einmal mehr jemand an den Handschuh denkt, wenn er das Wort Handschuhfach benutzt“. Auch die Hutablage ist für Fischer ein gutes Beispiel für Beständigkeit von Sprache. „Da hat man doch gleich die 50er Jahre vor Augen“.
Die Hartnäckigkeit alter Begriffe beschränkt sich nicht nur auf das Auto. Auch bei Computern wird man schnell fündig. „Die Computermaus sah früher wirklich aus wie ein Nagetier“, sagte Fischer. Grau und rundlich, das Kabel als Schwanz. „Jetzt sehen die Mäuse anders aus, die Kabel sind oft verschwunden und grau sind sie auch nicht mehr“. Geblieben sei die Bezeichnung. „Da spielt es auch keine Rolle, ob der Begriff noch passt oder nicht“. Vielmehr sei es für die Sprecher wichtig, sich mit der Sprache orientieren zu können.
Das Gefühl der Vertrautheit zähle. Ob der Laptop inzwischen Notebook oder Netbook heiße, sei da den meisten Menschen egal, erklärte der Sprachexperte. „Die Entwicklung von Sprache ist nicht steuerbar“ Das Vorhersehen von Entwicklungen sei ebenfalls kaum möglich. „Aber wenn es Bedarf für einen Begriff gibt, dann wird einer entstehen“, sagte Fischer. Ein Beispiel sei die „Jamaika-Koalition“. „Hier hat jemand wirklich sprachschöpferisch gewirkt“, sagte Fischer. Etwas Neues sei entstanden. „Und dafür brauchen die Menschen einen Begriff, mit dem sie sich verständigen können.“ (dpa/ros)