MÜNCHEN (BLK) – Der btb Verlag hat im November 2009 den Roman „Die Nacht trägt deinen Namen“ von Linda Olsson veröffentlicht. Aus dem Englischen wurde der Originaltitel von Almuth Carstens übersetzt.
Klappentext: Auckland, Neuseeland: Der Tod seiner über alles geliebten Tochter Miriam stürzt den jüdischen Musiker und Komponisten Adam in eine tiefe Krise. Mehr und mehr zieht er sich zurück in seinen Schmerz und seine Trauer. Alte Wunden, von denen er glaubte, sie seien längst verheilt, brechen wieder auf. Denn schon einmal in seinem Leben hat Adam einen Menschen verloren, der ihm alles bedeutete: Cecilia, Miriams Mutter, seine große Liebe, die er vor zwanzig Jahren verließ. Adam erkennt, dass es für ihn nur einen Weg in die Zukunft geben kann, und dieser Weg führt ihn zurück in die Vergangenheit. Er bricht auf zu einer Reise nach Europa - nach Krakau, in die Heimatstadt seiner Vorfahren, deren Spuren sich in den Gräueln des Zweiten Weltkriegs verloren. Und schließlich nach Schweden, zu Cecilia, die er immer noch liebt. Der Tod eines geliebten Menschen. Ein Bündel ungelesener Briefe. Und die Hoffnung auf ein neues Leben.
Linda Ollson wurde in Schweden geboren und studierte dort Recht. Nachdem sie geheiratet hatte, verließen sie, ihr Mann und ihre drei Söhne Schweden 1986. Folgend hat sie das kreative Schreiben begonnen und kurz darauf ihre erste Geschichte veröffentlicht. (ros)
Leseprobe:
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Jetzt bin ich hier, in Krakau, wo mein Leben anfing. Ich stehe auf meinem kleinen Balkon, bereit für meinen Morgenspaziergang, und schaue hinaus auf die Weichsel. Es ist Frühling, ein milder und sonniger Tag mit dem sanften, gedämpften Licht der Alten Welt, das einen freundlichen oder zumindest entgegenkommenden Schleier über die Erinnerungen legt, über meine und über die der Stadt. Ich kann nicht sehr weit sehen - leichter Nebel verhüllt den Fluss und die Landschaft am anderen Ufer. An Tagen wie heute, wenn das Wetter es erlaubt, gehe ich meistens die Planty entlang, wo ich mich manchmal für eine Weile auf eine Bank setze. Morgens bin ich dort oft der Einzige und beobachte den Strom der Passanten, die zur Arbeit unterwegs sind, und die überfüllten Straßenbahnen. Nachmittags sind die Bänke voll besetzt: mit alten Männern, die sich auf ihre Stöcke stützen, mit lesenden Studenten, Pärchen, die sich küssen, Müttern mit Kinderwagen, Leuten, die ihre Hunde ausführen. Aber es gibt hier keine Jogger, keine Jugendlichen auf Skateboards. Der Park hat etwas Gelassenes, Würdevolles, so wie die Menschen, die ihn nutzen. Ich bin jetzt hier, in dieser Stadt, wo ich geboren wurde, in Krakau. Und ich bin mit mir im Reinen. Ich glaube, das verstehst du, Cecilia. Du hast doch auch einen Ort gefunden, wo du mit dir im Reinen bist, nicht wahr? Hier bin ich von Leben umgeben. Von Geräuschen. Und ich fühle mich nicht mehr wie ein Außenseiter. Obwohl ich hier wenige Freunde habe, erfüllt mich ein Gefühl von Zugehörigkeit. Von Frieden. Nach all den Jahren habe ich endlich beschlossen, Arbeit und Wohnen zu trennen, und mich in der Altstadt über einer Musikalienhandlung in einem Studio eingemietet. Ich teile es mit einer Gruppe jüngerer Musiker, aber sie haben ihren eigenen Raum, und wir kommen gut miteinander aus. Mir gefällt es, junge Leute nebenan zu wissen. Es ist interessant, wie leise der Prozess des Musikmachens geworden ist. Ihrem Studio entweicht kein Ton, nur freitags, wenn sie mit Freunden etwas trinken, ehe sie später am Abend zusammen ausgehen. Die Musik ist in unseren Rechnern, unseren Studios und unseren Köpfen eingeschlossen. Heute bin ich vielleicht ein bisschen früh dran - der Park ist noch stiller als sonst. Ich schlafe nicht gut und stehe auf, wenn ich wach werde, manchmal sehr zeitig. Eine Uhr trage ich nicht mehr - es ist mir nicht wichtig, die genaue Zeit zu kennen. Ich versuche, im Einklang mit meinem Körper zu leben, indem ich ihm erlaube, das Tempo zu bestimmen. Als ich an der Kirche vorbeikomme, stelle ich überrascht fest, dass es erst kurz nach sieben ist. Es ist heller, als ich erwartet habe, daher laufe ich ein wenig länger als sonst die östliche Seite des Grüngürtels entlang, ehe ich mich auf eine Bank setze und darauf warte, dass die Sonne über die Bäume steigt. Ich beobachte die Strahlen, die sich durch das junge Laub fädeln und ein gesprenkeltes Muster auf den Boden zeichnen. Mein Blick fällt auf den Kies zu meinen Füßen. In dieser Stadt liegt wenig Abfall herum. Vielleicht ist sie noch nicht reich genug, um es sich leisten zu können, viel wegzuwerfen. Aber hier auf dem Boden, gleich neben der Spitze meines Schuhs, sehe ich eine Haarklammer. Ich bücke mich und hebe das kleine Metallobjekt auf. Ich lege es in meine Handfläche und umschließe es mit den Fingern. Und entsinne mich einer anderen Haarklammer.
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Literaturangabe:
OLSSON, LINDA: Die Nacht trägt deinen Namen. btb Verlag, München 2009. 288 S., 18,95 €.
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